Die Tochter der Wanderhure
anzutreten.«
Quirins Überlegung war Eichenloh nur eine abwehrende Handbewegung wert. »Du träumst! Willst du unbedingt als Kastellan auf meiner Burg versauern? Das würde dich schnell anöden. Jetzt sorge dafür, dass die Gäule gesattelt werden. Ich will bei Sonnenaufgang losreiten.«
»Noch vor dem Frühstück?« Quirin klang so entsetzt, dass sein Anführer lachen musste.
»Wir essen unterwegs in einer Schenke. Dort werden uns das Brot und das Bier besser schmecken als in diesem Gemäuer.« Mit diesen Worten drehte Eichenloh sich um und verschwand. Quirin blickte ihm kopfschüttelnd nach. So erfahren sein Anführer im Kampf auch sein mochte, so wenig Einsicht zeigte er, wenn es darum ging, seine Rechte gegenüber den eigenen Verwandten zu vertreten. Jedes Mal, wenn die Rede auf seine Familie kam, verwandelte er sich in einen störrischen Knaben, der lieber hungerte, als sich an den gedeckten Tisch zu setzen.
3.
M ichel Adler sah die Burg des Herrn von Dettelbach vor sich aufragen und ließ seinen Hengst unwillkürlich schneller traben. Als die Hufschläge hell auf dem steinernen Pflaster der Gasse klangen, lockte das Geräusch Neugierige an die Türen und Fenster. Die Dettelbacher kannten den Herrn auf Kibitzstein, denn Michel ließ die meisten Einkäufe in ihrem Ort tätigen und nicht im näher an seiner Burg gelegenen Markt Volkach, der immer stärker unter die Herrschaft des Würzburger Bischofs geriet.
Diesmal wollte Michel jedoch nicht zum Markt, sondern zu Ritter Hans von Dettelbach, dem dieser Ort gehörte. Doch er hatte Trudi mitgenommen, die bereits begehrliche Blicke auf die Marktstände warf. Mehrere Waffenknechte schützten ihn, seine Tochter und Anni, die sie begleitete, weil sie als Wirtschafterin auf Kibitzstein am besten wusste, was eingekauft werden musste. Liebend gerne hätte er Marie an seiner Seite gesehen, doch deren Knieschmerzen waren wieder stärker geworden, so dass sie weder reiten noch in einem rüttelnden Wagen mitfahren konnte.
Es wird diesmal ohne Maries Rat gehen müssen, dachte Michel seufzend, als er sich von Trudi und Anni trennte und zwei seiner Leute dazu bestimmte, die beiden bei ihren Einkäufen zu begleiten. Er selbst trieb seinen Hengst wieder an und ritt mit dem Rest seiner Männer zur Burg hoch.
Zwei Knechte eilten auf ihn zu und nahmen den Zügel in Empfang. Michel stieg ab und versuchte, die steifen Glieder zu lockern. Der lange Ritt hatte ihm zugesetzt, und allmählich spürte er das Alter. Doch gerade in dieser schwierigen Zeit durfte er nicht nachlassen. Sein und Maries Sohn Falko war noch zu jung, um die Pflichten eines Burgherrn übernehmen zu können. Zudem weilte er bei Ritter Heinrich von Hettenheim, um zusammenmit dessen jüngstem Sohn erzogen zu werden, und würde erst in zwei oder drei Jahren nach Hause zurückkehren.
Michel straffte sich und trat breitbeinig auf den Eingang des Palas zu. Zu seiner Erleichterung empfing Ritter Hans von Dettelbach ihn am Fuß der Freitreppe. Das war eine Geste, die Michel hoffen ließ, dass sein Besuch von Erfolg gekrönt sein könnte.
»Gott zum Gruß, Herr Hans. Ich freue mich, Euch so wohl vor mir zu sehen!«, begrüßte Michel seinen Gastgeber, obwohl er fand, dass der Stadtherr von Dettelbach seit ihrer letzten Begegnung noch älter und hinfälliger geworden war. Dabei zählte Ritter Hans kaum mehr Jahre als er selbst.
»Seid mir willkommen, Herr Michel.« Ritter Hans’ Stimme klang dünn, und als er sich umdrehte, die Treppe hochzusteigen, strauchelte er.
Michel konnte gerade noch einen Sturz verhindern, und sein Gastgeber bedankte sich seufzend. »Ich war letztens sehr krank, und seitdem will es nicht mehr so recht.«
»Das wird schon wieder!«, versuchte Michel ihn aufzumuntern.
»Gebe es Gott und der heilige Kilian! Doch ich glaube, mit mir geht es zu Ende. Der Wein schmeckt nicht mehr, und trinke ich ihn dennoch, schmerzt es in meiner Seite, als würde jemand einen Dolch darin umdrehen.«
Hans von Dettelbach sah so bedrückt aus, als glaube er tatsächlich, bald mit dem Leben abschließen zu müssen, und Michel bedauerte es noch stärker, dass Marie nicht hatte mitkommen können. Seine Frau kannte viele Kräuter und verstand es, daraus Arzneien zu mischen. Vielleicht hätte sie auch Ritter Hans einen heilenden Trunk brauen oder ihm zumindest jene Kräuter nennen können, die seine Beschwerden linderten.
Hans von Dettelbach ließ sich von Michel auf dem Weg in das Wohngebäude stützen, wies ihm
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