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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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musste.
    Trudi wusste, wie sehr Alika, die aus dem fernen Afrika stammte, an ihrer Schwester Lisa hing, und fürchtete, dass die Mohrin ihr den Streit und die Beleidigungen ihres Lieblings nachtrug. Sie zog ihre Hand vom Türgriff zurück. Unter diesen Umständen war es wohl nicht ratsam, die dunkelhäutige Frau um Hilfe zu bitten.
    Da wurde die Tür von innen geöffnet, und Alika blickte heraus. »Ich habe dich kommen sehen«, sagte sie in einem Tonfall, dem Trudi nicht entnehmen konnte, ob sich die Mohrin über ihren Besuch freute oder ungehalten war.
    »Gott zum Gruß, Alika. Darf ich hereinkommen?« Trudis Stimme klang dünn.
    Alika wies lächelnd in das Innere des Häuschens. »Tritt ein! Ich sehe, du hast einen Stoffballen bei dir. Soll ich dir ein neues Kleid für die Fuchsheimer Hochzeit nähen? Dafür bist du zwar schon etwas spät dran, aber ich glaube, ich kriege es noch hin.«
    »Das wäre lieb von dir! Weißt du, ich …« Trudi brach ab, da sie nicht wusste, wie Alika zu Junker Georg stand. Die Mohrin hingan ihrer Mutter und teilte möglicherweise deren Abneigung gegen den jungen Ritter.
    Alika trat freundlich lächelnd zur Seite, damit die Tochter ihrer Herrin eintreten konnte, und machte eine einladende Geste.
    Es war ein hübsches Häuschen mit zwei Zimmern, die von einer großen Küche abgingen. In dieser gab es neben dem gemauerten Herd einen breiten Tisch mit einer Bank und vier Stühlen und eine Art Anrichte für das Geschirr. Auch sonst war Alika besser ausgestattet als die meisten Bauern in den durchaus nicht ärmlichen Dörfern, die zu Kibitzstein gehörten, aber viele Einrichtungsgegenstände wirkten fremdartig. Die Mohrin hatte die Sachen selbst angefertigt oder nach ihren Angaben von Handwerkern herstellen lassen, und Marie hatte sie dabei unterstützt, um ihr über das Heimweh hinwegzuhelfen.
    Theres, die am liebsten alles so gelassen hätte, wie es zu Lebzeiten der Schwarzen Eva gewesen war, hatte sich schließlich an die Neuerungen gewöhnt und verwendete die Gegenstände genauso wie Alika. Eben füllte sie einen buntbemalten Becher aus einem großen Topf und stellte ihn Trudi hin.
    »Sei uns willkommen, Kind. Lass es dir schmecken!« Obwohl die alte Frau sie meist so behandelte, als wäre sie noch das kleine Mädchen, das sie über einen langen Winter hinweg versorgt hatte, liebte Trudi Theres und umarmte sie herzlich. Dann sagte sie sich, dass Alika auch nicht zu kurz kommen durfte, und schloss auch die Mohrin in die Arme.
    Beide Frauen rochen sauber, und ihre Kleidung wirkte reinlich. Alika achtete sehr darauf, dass Theres sich nicht gehen ließ, und die Ziegenbäuerin sorgte ebenfalls dafür, dass es der alten Frau gut ging, indem sie ihr Kräutertränke braute, die die Beschwerden des Alters milderten. Da die beiden Frauen überdies von den Kibitzsteinern mit Lebensmitteln versorgt wurden, musste die Mohrin nicht für andere Leute arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dennoch nähte sie fleißig, zumeist fürMaries Familie, und die Burgherrin musste ihr immer wieder befehlen, den Lohn anzunehmen, den sie ihr dafür zahlte. Auch Trudi wollte nicht, dass Alika umsonst für sie arbeitete, wusste aber nicht, was sie ihr dafür geben sollte.
    »Du bist heute so schweigsam!« Alikas Worte machten Trudi erst bewusst, dass sie eine Weile ihren Gedanken nachgehangen hatte. »Es tut mir leid, aber mir geht so viel durch den Kopf.«
    »Das ist kein Wunder bei dem, was man dir beinahe angetan hätte. Der Teufel soll die Hilgertshausener Äbtissin holen und ihren Vogt gleich mit dazu!«, schimpfte Theres.
    »Man sagt, du hättest den Kerl ganz allein abgewehrt und ihn überdies noch verwundet.« Alika blickte Trudi neugierig an, denn bisher hatte sie nur Gerüchte vernommen. Ihnen zufolge hatten die Hilgertshausener Knechte allen Kibitzsteiner Mägden Gewalt angetan, und Trudi sei es als Einziger gelungen, ihrem Bedränger zu entkommen.
    Bevor Trudi etwas sagen konnte, steckte Uta den Kopf zur Tür herein. »Dürfen wir auch reinkommen?«
    »Gerne!« Theres füllte zwei weitere Becher.
    Uta und Lampert nahmen sie dankbar entgegen und hockten sich schüchtern auf die Kante des Ofens.
    »Ist euch etwa kalt?«, fragte Alika spöttisch.
    »Wir wollten nicht stören«, antwortete Lampert.
    Uta verstand die Bemerkung als Einladung und nahm neben ihrer Herrin Platz. »Habt Ihr Alika den Stoff schon gezeigt?«, fragte sie erwartungsvoll.
    »Da du mich andauernd störst, bin ich noch

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