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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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notwendig gewesen, denn Karel hätte seine Krieger am liebsten zum Wirtschaftshof des Damenstifts geführt und diesen angezündet. Aber er befolgte Michels Befehl und umkreiste seine Schutzbefohlenen wie ein wachsamer Hütehund seine Herde.
    Es ließ sich jedoch kein Hilgertshausener Knecht oder gar eine Stiftsdame sehen, und der Wirtschaftshof wirkte wie von allen Menschen verlassen. Daraus schloss Karel, dass die Äbtissin die Gebäude aus Angst vor einer Vergeltungsaktion der Kibitzsteiner hatte räumen lassen.
    Tatsächlich hatte Klara von Monheim ihre Leute zurückgezogen und nur einen Knecht zurückgelassen, der für seine flinken Füße bekannt war. Dieser beobachtete die Kibitzsteiner vom Stall des Wirtschaftshofs aus, wusste am Abend seiner Herrin jedoch nur zu vermelden, dass Michel Adlers Leute die Reben genau bis zur vereinbarten Grenze gelesen und das Stiftsland anschließend mit ihrer Ernte verlassen hatten.
    Diese Auskunft ließ Klara von Monheim aufatmen. Trotz ihrer Abneigung gegen ihren Nachbarn und besonders gegen dessen Eheweib wünschte sie keine offene Fehde. Der Kibitzsteiner war als tapferer Krieger und kühner Anführer bekannt, dem sie ohne Verbündete kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Aber sie bezweifelte, dass der Würzburger Bischof, auf dessen Unterstützung sie bis jetzt hatte bauen können, ihr mit Kriegern und Ausrüstung zu Hilfe kommen würde. Es konnte seinem Ruf schaden, wenn er sich auf die Seite von Frauenschändern schlug.
    Aus diesem Grund hatte die Äbtissin beschlossen, erst einmal abzuwarten und auf Verhandlungen zu setzen. Aber es ließ sich kein Kibitzsteiner Bote in ihrem Stift sehen. Stattdessen wurde ihr gemeldet, dass etliche Männer die Burg verlassen hätten undRichtung Dettelbach, Fuchsheim oder andere Orte geritten wären. Das beunruhigte Klara von Monheim mehr, als wenn der Kibitzsteiner Drohungen gegen sie ausgestoßen hätte.
    Michel hätte ihr sagen können, dass er keinen seiner Männer der Gefahr hatte aussetzen wollen, von dem Hilgertshausener Gesindel, wie er Henneberg und dessen Knechte im kleinen Kreis nannte, verprügelt oder gar erschlagen zu werden, denn auch er sah in dem Zwischenfall den Auftakt zu einer langen, blutigen Fehde.
    Zum ersten Mal seit vielen Jahren beschlugen die Schmiede in Kibitzstein, Spatzenhausen, Dohlenheim und Habichten nicht nur Pferde oder schärften Sensen und Pflugscharen, sondern reparierten die alten Brustpanzer und schliffen den Rost von Schwertern und Speerspitzen. Michel selbst schwang sich in den Sattel und ritt, von sechs kräftigen Knechten begleitet, nach Dettelbach, um dort den Kauf von Waffen und Rüstungen in die Wege zu leiten und um noch einmal mit Ritter Hans zu sprechen. Ihm schien es mehr denn je geboten, neben seiner Burg und den Dörfern auch einen ummauerten Marktflecken mit allen Vogteirechten in die Hand zu bekommen.
    Zu ihrer großen Enttäuschung hatte Trudi ihren Vater diesmal nicht begleiten dürfen, denn Michel hielt es nun für zu gefährlich, wenn seine Töchter die Burg verließen. Sogar Hiltruds Ziegenhof durften die Mädchen nur noch in Begleitung bewaffneter Knechte aufsuchen. Der Schreck über den Überfall, der Trudi zunächst in die Glieder gefahren war, wich bald dem Ärger über die Einschränkung ihrer bisherigen Freiheit, und so sah sie in Bonas Hochzeitsfeier auf Fuchsheim den einzigen Lichtstreif am Horizont einer düsteren Gegenwart. Dort würde sie endlich Junker Georg wiedersehen. Sie träumte von einer baldigen Heirat, die nicht nur ihr Glück begründen, sondern auch ihn und seine Sippe zu Verbündeten ihres Vaters machen würde.
    Da sie sich für ihn so schön wie möglich machen wollte, trug sie den Stoff, den sie in Dettelbach gekauft hatte, zu Alika. Sie hatte zwar selbst flinke Finger und bereits einige Kleider für sich und ihre Schwestern genäht, doch mit den Fertigkeiten der Mohrin konnte sie sich nicht messen.
    Uta begleitete sie, und zu ihrem Schutz kam Lampert mit, der sich für den Ausflug ins Meierdorf mit einem langen Spieß ausgerüstet hatte. Die beiden hielten sich still zurück, als ihre junge Herrin sichtlich angespannt auf das Häuschen zutrat, welches die Mohrin sich mit der ehemaligen Marketenderin Theres teilte. In dem kleinen Anwesen hatte früher die Schwarze Eva, eine andere Freundin ihrer Mutter, mit ihrem einbeinigen Mann gewohnt. Beide waren jedoch vor wenigen Jahren gestorben, und so war Alika eingezogen, damit die alte Theres nicht allein hausen

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