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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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diesem Zerwürfnis, weil er seiner Erstgeborenen gegenüber zu nachsichtig war, anstatt sie dazu anzuhalten, Pflichten zu übernehmen.
    Schnell wischte Alika diese Gedanken beiseite und wandte sich wieder dem Kleid zu. Sie hatte eine ungewöhnliche Methode, Maß zu nehmen, doch passten die von ihr angefertigten Gewänder wie eine zweite Haut, ohne unbequem eng zu sein. Trudi konnte sich mehr und mehr vorstellen, wie schön sie aussehen würde, und ihr war es kaum noch möglich, stillzuhalten.
    »Beschwere dich hinterher nicht, wenn das Kleid an dieser oder jener Stelle nicht so recht passt«, tadelte Alika sie, während sie einen Kohlestift nahm, die Maße mit eigenartigen Symbolen auf einem Blatt Papier vermerkte und dann das Gewand so zeichnete, wie sie es sich vorstellte.
    »Miss bitte noch einmal nach. Ich halte jetzt ganz gewiss still!«, bat Trudi.
    Alika versetzte ihr einen spielerischen Nasenstüber. »Ich messe immer gut. Du darfst in der nächsten Woche nur nicht zu viel essen, sonst passt dir das Kleid um die Taille nicht mehr. Oder soll es dir so ergehen wie deiner Freundin Bona? Ich habe ihre Leibmagd gestern in Volkach getroffen, und die hat mir ihr Leid geklagt. Der Fuchsheimer hat den Ballen für das Kleid zu knappbemessen lassen, und nun musste sie ein Stück nachkaufen. Aber es gab den Stoff nicht mehr, und so hat die Magd einen anderen ausgesucht, den sie für ein eingesetztes Brustteil verwenden kann.«
    Im Gegensatz zu Michel und Marie, die Volkach mieden, weil der Würzburger Vogt dort das Sagen hatte, ging Alika öfter dort zum Markt. Trudi dachte nicht daran, sie deswegen zur Rede zu stellen, sondern hörte interessiert zu. »Ich freue mich, Bona bald wiederzusehen.«
    »Sie wird sich gewiss auch freuen, wenn du kommst.« Alika hielt nicht allzu viel von der Tochter des Fuchsheimers, sagte sich aber, dass es schlechter erzogene Mädchen gab. Ein wenig Neid und gelegentliche Missgunst gehörten nun einmal zum Leben.
    Unwillkürlich verglich Trudi die dunkelhäutige Freundin mit Bona und fand sie hübscher, obwohl sie ebenso alt sein musste wie Anni. Im Gegensatz zu der mageren Wirtschafterin hatte sie eine volle Figur mit einem kräftigen Busen und einem auftragenden Hinterteil. Ihr Gesicht zeigte eine ungewöhnliche haselnussbraune Farbe, war aber glatt und wirkte auf eine exotische Weise anziehend.
    »Warum hast du eigentlich nicht geheiratet?«, entfuhr es ihr.
    Alika lachte schallend. »Da müsste der Richtige kommen, aber den habe ich bis jetzt nicht getroffen.«
    Achselzuckend wandte sie sich ihrer Skizze zu und ging mit Trudi die Einzelheiten durch. Es sollte ein Kleid werden, das alle Hochzeitsgäste beeindrucken musste. Daher waren sie mehr als zwei Stunden damit beschäftigt, alle Variationen durchzugehen. Zwischendurch nippten sie am Wein und naschten von dem Gebäck, das Theres auf den Tisch stellte. Als alle zufrieden waren, räumte Alika den Stoffballen und die Zeichnungen beiseite und sah Trudi an.
    »Willst du bei uns zu Mittag essen?«
    Trudi seufzte. »Ich täte es ja gerne, aber da ich Lampert mit derNachricht zu Hiltrud geschickt habe, dass ich bald nachkäme, würde Hiltrud schwer enttäuscht sein, wenn ich nicht bei ihr speise.«
    »Damit dürftest du recht haben. In der Hinsicht ist die Ziegenbäuerin eigen.« Alika dachte daran, wie oft sie mit Hiltrud in deren Stübchen gesessen und von Maries und ihren Abenteuern in Russland berichtet hatte. Nie hatte die alte Bäuerin es versäumt, ihr einen großen Krug mit Wein oder Kräuteraufgüssen und eine Platte mit Wurst, Butter, Käse und Brot vorzusetzen. Manchmal wunderte sie sich, dass sie mit der Gefährtin aus Maries frühen Jahren besser zurechtkam als mit Anni, die ihr im Alter näher stand. Doch im Gegensatz zu dieser war Hiltrud eine Frau ohne Eifersucht und zufrieden mit dem Leben, das Frau Marie ihr ermöglicht hatte.
    »Das kann ich auch sein«, entfuhr es Alika spontan.
    »Was kannst du sein?«, wollte Trudi wissen.
    »Froh sein, deine Mutter getroffen zu haben und mit ihrer Hilfe einen Platz im Leben gefunden zu haben. Sie hat mir genauso geholfen wie der Ziegenbäuerin. Hiltrud ist eine gute Freundin von mir, und wir sprechen oft miteinander, auch über dich.«
    Alika versuchte, auf den Busch zu klopfen, weil sie spürte, dass ein Kummer an Trudi nagte. Wären sie allein gewesen, hätte das Mädchen ihr das Herz ausgeschüttet. So aber streifte Trudi Theres und Uta mit einem beredten Blick. Die Mohrin begriff,

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