Die Tochter der Wanderhure
dass Maries Ältester mehr auf dem Herzen lag, als sie vermutet hatte. Lächelnd sah sie Theres an. »Wenn Trudi nichts dagegen hat, könnte Uta die Sichel nehmen und Gras für unsere Kaninchen und die Ziege mähen. Zeigst du ihr, wo sie es schneiden darf?«
Uta schnaubte abwehrend und warf ihrer Herrin einen flehenden Blick zu, denn das war ganz bestimmt keine Arbeit für eine Burgbedienstete.
Zu ihrer Enttäuschung nickte Trudi. »Das ist ein guter Gedanke. Für Theres ist diese Arbeit zu schwer, und du musst nähen, damitmein Kleid rechtzeitig fertig wird. Ich glaube, bis es so weit ist, werde ich Uta jeden Tag zu euch schicken, damit sie eure Tiere versorgt.«
»Aber das kann doch Lampert machen«, quietschte die Magd erschrocken.
Trudi sah sie tadelnd an. »Wenn du so unleidlich bist, werde ich wirklich Lampert schicken. Dann aber muss ich mich fragen, ob ich ein so faules und ungefälliges Ding wie dich als Magd brauchen kann!«
Nun brach Uta in Tränen aus. »Aber Herrin, ich diene Euch doch treu! Ich bin nicht davongelaufen wie die anderen Mägde, als dieser unsägliche Henneberg Euch Gewalt antun wollte, sondern habe versucht, Euch beizustehen. Dabei wäre ich beinahe selbst vergewaltigt worden.«
»Das rechne ich dir hoch an. Trotzdem solltest du dich bemühen, meine Wünsche zu erfüllen. Es wird dir gewiss nicht schaden, für Theres’ und Alikas Stallhasen ein wenig Gras zu schneiden.«
Nicht zum ersten Mal stellte Uta fest, dass ihre junge Herrin trotz aller Nachsicht einen festen Willen besaß. Wenn sie sich weigerte, die Arbeit auszuführen, die die Jungfer ihr auftrug, war die Herrin imstande, selbst die Sichel in die Hand zu nehmen. In dem Fall hätte sie die Achtung des Gesindes auf der Burg verloren – und ganz bestimmt auch von Frau Marie. Vielleicht würde man sie sogar wieder nach Hause auf den väterlichen Hof schicken, und dort bekam sie für harte Arbeit nur schlechtes Essen, einen Strohsack in der Ecke und gelegentlich etwas Wolle oder Flachs, die sie zu einem Gewand verarbeiten konnte.
Als sie an ihr Zuhause dachte, wurde ihr wieder bewusst, welch schönes Leben sie auf Kibitzstein führte, und nickte eifrig. »Aber Herrin, warum schimpft Ihr mich? Ich tue doch alles, was Ihr mir auftragt.« Dann wandte sie sich an Theres und fragte, wo die Sichel sei.
»Komm mit mir!«, antwortete die alte Frau und verließ das Haus. Uta folgte ihr auf dem Fuß, und kurz darauf sahen Trudi und Alika Uta ein Stück entfernt auf der Wiese eifrig die Sichel schwingen und sich mit Theres unterhalten.
Alika schenkte Trudi frischen Wein ein und blickte das Mädchen auffordernd an. »Hiltrud hat mir erzählt, dass es dir nicht gut geht, aber sie wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Wenn du mich ins Vertrauen ziehst, kann ich dir vielleicht helfen oder wenigstens einen Rat geben.«
Zuerst schüttelte Trudi den Kopf, dann aber seufzte sie tief und sagte sich, dass sie Alika ebenso vertrauen konnte wie der Ziegenbäuerin. Stockend und mit schamroten Wangen berichtete sie ihr von jenem Nachmittag im Fuchsheimer Wald, an dem Bona und sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatten.
Alika hörte aufmerksam zu, sagte aber nichts von dem, was ihr durch den Kopf ging, denn sie spürte, dass Trudi bei dem leisesten Tadel verstummen und davonlaufen würde, obwohl sie nicht die Jungfer, sondern den Junker anklagen würde. Das Mädchen entschuldigte Gressingens Tat mit seiner Leidenschaft für sie, aber die Mohrin fühlte sich in ihrer Meinung über den Ritter bestätigt. Kein aufrichtiger Mann hätte Trudi auf diese Weise bedrängt und betrunken gemacht, um ihren Widerstand zu brechen. Doch das, was geschehen war, ließ sich nicht mehr aus der Welt schaffen.
»Ich hoffe, deine Wünsche erfüllen sich, und Gressingen hält um dich an. Im anderen Fall wäre es nämlich besser gewesen, wenn du Otto von Henneberg nicht entkommen wärst. Fahr doch nicht gleich auf! Es mag hart klingen, aber von Henneberg hätte dein Vater Genugtuung verlangen und ihn vielleicht sogar zwingen können, dich zu heiraten. Bei Gressingen ist jedoch alles heimlich geschehen, und er kann abstreiten, sich dir genähert zu haben. Bona wird deine Worte nicht beschwören, weil ihr künftiger Gemahl sie sonst verstoßen oder töten würde, und der jungeSteinsfeld muss aus dem gleichen Grund den Mund halten. Damit stehst du gegen drei, die dich der Lüge zeihen würden.«
»Gressingen wird kommen!«, rief Trudi leidenschaftlich aus.
Alika
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