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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nicht dazu gekommen.« Trudi lachte und öffnete das von schützendem Leinen umhüllte Paket.
    Alika schnaufte überrascht, als sie das blaue, mit silbernen Sternen verzierte Tuch sah. »Das ist wunderschön!«
    »Anni hat mir den Stoff ausgesucht!« Noch während Trudi es sagte, dachte sie, dass dies keine glückliche Bemerkung war, denndie beiden Frauen, die ihrer Mutter in verschiedenen Phasen ihres Lebens beigestanden hatten, mochten einander nicht besonders. Es mochte daran liegen, dass Alika mit ihrer dunklen Haut und ihren krausen Haaren sehr fremdartig aussah, aber wahrscheinlich war es unterschwelliger Neid. Marie hatte Alika immer als ihre Lebensretterin bezeichnet, und da die Mohrin deswegen ein hohes Ansehen genoss, fühlte Anni sich trotz ihres Rangs als Wirtschafterin auf Kibitzstein hinter sie zurückgesetzt, während Alika Anni mit einer gewissen Nachsicht begegnete und sich ansonsten nicht weiter um sie kümmerte.
    Ein sanfter Stups beendete Trudis gedanklichen Ausflug. Diesmal war es Uta, die ihre Herrin darauf aufmerksam machte, dass Alika ihr eine Frage gestellt hatte.
    »Wie willst du das Kleid tragen?«, wiederholte diese. »Es ist genug Stoff für weite Ärmel und eine kurze Schleppe, die du über den Arm schlagen kannst.«
    Dann drehte sie sich zu Lampert um. »Du kannst deinen Wein auch draußen im Freien trinken.«
    Der Bursche begriff zunächst nicht, was Alika meinte. Daher baute Uta sich vor ihm auf. »Alika will bei Trudi Maß nehmen, und dazu können wir dich nicht brauchen.«
    Trudi griff begütigend ein. »Geh derweil zur Ziegenbäuerin und sag ihr, wir kämen bald nach.«
    »So bald auch wieder nicht, denn es dauert seine Zeit, bis wir alles besprochen haben«, wandte Alika ein.
    »Ich werde es trotzdem ausrichten und dort auf Euch warten, Herrin.«
    »Und auf mich!«, rief Uta dazwischen.
    »Ja, ja, tu ich auch!« Lampert freute sich, denn er sah sich schon den restlichen Vormittag im Ziegenhof sitzen und von dem guten Wein trinken, den die Bäuerin zu keltern wusste. Aber bei Trudis nächsten Worten schwand sein erwartungsvolles Lächeln.
    »Bis dahin wirst du auf dem Ziegenhof mitarbeiten. Hiltrud hat uns gestern zwei Mägde geschickt, die geholfen haben, unseren Anteil an den Hilgertshausener Weinbergen zu lesen.«
    »Jawohl, Herrin!« Lampert betrachtete sich selbst nicht als faul, hatte aber auf ein freies Stündchen gehofft. Aber da seine junge Herrin die Ziegenbäuerin gewiss fragen würde, ob er mitgearbeitet hatte, würde er kräftig zupacken müssen, um nicht schlecht dazustehen.

3.
    K aum hatte Lampert die Tür hinter sich zugezogen, machten sich Trudi und Alika daran, das Kleid zu entwerfen. Uta gab die eine oder andere Bemerkung von sich, und Theres, die prüfend über den Stoff strich, machte ebenfalls Vorschläge, wie Trudi darin noch schöner erscheinen könne.
    Alika bremste schließlich die allgemeine Begeisterung. »Wir dürfen nicht vergessen, wie jung unsere Herrin ist!«
    Die Worte ließen Trudi beinahe bedauern, den Stoff zu ihr gebracht zu haben. Schließlich wollte sie so schön und so erwachsen wie möglich aussehen, um Junker Georg zu gefallen.
    Doch die Mohrin war erfahren genug, Trudi nicht das Gefühl zu vermitteln, sie sähe sie noch als Kind an, und sie wollte Trudi ebenfalls so prachtvoll wie möglich ausstatten. Die Kunde vom Überfall auf das Mädchen und ihre Mägde hatte bereits die Runde gemacht, und die Menschen sollten sehen, gegen welch edle Jungfer sich dieser üble Streich gerichtet hatte.
    Sie betrachtete das Mädchen mit einem fast mütterlichen Stolz. Trudi war etwas größer als die meisten Mädchen, dabei aber anmutig wie selten eine. Ihr Gesicht mit seinem geraden Näschen und dem sanft geschwungenen Mund wirkte gleichzeitig stolz und anziehend schön. Zwar blitzten ihre blauen Augen manchmalrecht kriegerisch, doch im Augenblick glichen sie zwei stillen Seen. Wir, sagte die Mohrin sich, werden der Welt zeigen, wem Unrecht angetan wurde.
    »Es geht um das Ansehen deiner Eltern. Etliche eurer Nachbarn schauen auf sie herab, weil sie keine Ahnen haben, die bereits an Kaiser Karls Tisch gesessen haben«, erklärte sie vehement.
    Trudi nickte eifrig. »Dabei ist Papa besser als alle Nachbarn zusammen!«
    »Deine Mutter aber auch!« Ein leiser Tadel schwang in Alikas Worten mit. Sie mochte das Mädchen, aber ihr missfiel der Trotz, mit dem es in letzter Zeit der Mutter begegnete. Auch sie gab Herrn Michel ein gerüttelt Maß Schuld an

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