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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hat?«
    »Es ist gleichgültig, wer dieses Mädchen war. Ihr hättet es mitsamt ihrer Begleitung vertreiben sollen. Stattdessen habt Ihr Euch an der Jungfer vergriffen und die Knechte dazu angestachelt, über die Mägde herzufallen. Was hat Euer Bruder sich nur dabei gedacht, mir einen Frauenschänder ins Haus zu schicken? Dies hier ist ein Damenstift, und da wäre es vonnöten, sich entsprechend zu verhalten.«
    Otto von Henneberg wand sich bei diesen Vorhaltungen wie ein Wurm und fand keine Worte zu seiner Verteidigung. Das schien die Äbtissin, die ihn scharf beobachtete, zufriedenzustellen. Sie träufelte etwas Essenz auf einen sauberen Lappen und wuschdamit seine Wunde aus. Es brannte tatsächlich wie Feuer, und Henneberg krümmte sich nun vor Schmerz. Als er glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, trat Klara von Monheim zurück und goss die Hälfte dessen, was sich noch in der Flasche befand, in ihren Becher.
    »Hier, trinkt! Davon wird Euch rasch besser werden. Eure Wunde mag schmerzhaft sein und Euer glattes Gesicht ein wenig entstellen. Doch Ihr könnt froh sein, dass es so gekommen ist. Wäre es Euch nämlich gelungen, Michel Adlers Tochter zu schänden, hättet Ihr sie heiraten müssen. Dies hätten weder ich noch Seine Exzellenz, der Fürstbischof, verhindern können.«
    Von dieser Warte aus hatte Otto von Henneberg die Sache noch nicht betrachtet. Gressingen hatte ihm einiges über die Kibitzsteiner erzählt, und nichts davon ließ deren Tochter in einem Licht erscheinen, das sie als Gemahlin eines Mitglieds des gräflichen Hauses Henneberg empfahl. Die Mutter sollte eine Hure gewesen sein, die es auf dem Konzil in Konstanz einigen hohen Herren angenehm gemacht hatte. Auch der Vater entstammte keinem altadeligen Haus, sondern war ein nach langen Dienstjahren zum Ritter geschlagener Soldat bürgerlicher Herkunft, dem ein gütiges Schicksal die reichsfreie Herrschaft Kibitzstein zugespielt hatte.
    Graf Otto schüttelte sich bei dem Gedanken, mit so einem Gesindel verschwägert zu sein. Nach einer solchen Missheirat würden Magnus und Elisabeth die Tür vor ihm und seiner Ehefrau verschließen und jede Verwandtschaft mit ihm und seinen Nachkommen leugnen. Entsetzt blickte er die Äbtissin an. »Bei allen Heiligen, wie recht Ihr habt! Die Narbe, die diese Wunde hinterlassen wird, dürfte ein geringer Preis im Vergleich zu der Schande sein, die mir sonst geblüht hätte.«
    »Es ist bedauerlich, dass es Euch nicht gelungen ist, meinen Auftrag so auszuführen, wie ich es Euch aufgetragen habe. So bleibt nur die Hoffnung, dass Michel Adler den Zwischenfall nichtzum Anlass einer Fehde nimmt, denn das wäre nicht in meinem Sinn.«
    Warum habt Ihr mich dann aufgefordert, die Kibitzsteiner zu verjagen?, wollte Graf Otto fragen, verbiss sich jedoch die Worte. »Ich entschuldige mich bei Euch für das Vorgefallene«, sagte er stattdessen mit einem innerlichen Zähneknirschen. Ihm war bewusst, dass er der Äbtissin eine Menge Schwierigkeiten bereitet hatte, die sie im besten Fall mit Zugeständnissen an den Kibitzsteiner aus dem Weg räumen musste.
    Klara von Monheim spürte die Verzweiflung und die Scham des jungen Grafen. Daher milderte sich ihre Empörung. »Ich mache weniger Euch einen Vorwurf als vielmehr Eurem Bruder. Er wusste, wie jung und unerfahren Ihr seid. Statt Eurer hätte er mir einen Mann als Vogt schicken sollen, der sich besser zu beherrschen weiß. Geht nun ins Haus und legt Euch hin. Ich hoffe, Ihr werdet in einer Woche so weit auf den Beinen sein, mich nach Fuchsheim begleiten zu können. Ritter Ludolfs Tochter heiratet, und zu diesem Anlass kommen viele Leute zusammen, mit denen ich reden will.«
    »Auch die Kibitzsteiner?«, fragte Graf Otto ein wenig verzagt.
    »Wahrscheinlich! Doch die sollten Euch nicht bekümmern. Am besten haltet Ihr Euch von Michel Adler und seiner Sippe fern, denn einen neuen Streit werde ich nicht dulden. Und nun Gott befohlen!« Die Äbtissin nickte ihm noch einmal zu und winkte den Trägern der Sänfte, die im Schatten eines Baumes auf ihren Befehl gewartet hatten.

2.
    A m nächsten Morgen setzte Karel sich an die Spitze einer Schar Bewaffneter und führte alles, was an Knechten und Mägden auf der Burg und in den Dörfern des Besitztums verfügbar war, zuden Hilgertshausener Weinbergen, um den vertraglich zugesicherten Anteil der Ernte einzuholen.
    Michel hatte ihn angewiesen, nur dann von den Waffen Gebrauch zu machen, wenn sie angegriffen wurden. Das war auch

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