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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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Göran abgesprochen, durch den Briefschlitz geworfen. Einen kurzen Moment hatte sie den Bund in der Hand gehalten und sich daran erinnert, wie sie damals die Wohnung bekommen hatten. Dann hatte sie die Metallklappe angehoben und die Schlüssel hineinfallen lassen.
     
    Gleich nach ihrem Anruf hatte er sich aufs Rad gesetzt. Von allen Studenten, die er im Laufe der Jahre gehabt hatte, war sie die aufgeweckteste gewesen. Fräulein Rylander hieß sie zu jener Zeit. Ihre Gedanken bewegten sich in ganz eigenen Bahnen, und so zwang sie auch ihn, als Lehrer sein Äußerstes zu geben. Es hatte ihn gefreut, dass sie sich, wie einst auch er, für die Gerichtsmedizin entschieden hatte. In gewisser Weise war ihm, als würde sie in seine Fußstapfen treten. Als sie viel später in seiner Rechtsmedizinischen Abteilung in Göteborg landete, waren sie einander noch nähergekommen. Er wollte ihr alles beibringen, ließ sie an seiner lebenslangen Erfahrung teilhaben, während sie mit der neuen Technik mitging und sie ihm in kurzen Zügen und leicht verständlich vermittelte. Es war ein Geben und Nehmen gewesen, wertvoll für sie beide.
    Als er schließlich in Ruhestand ging, übernahm Margareta seine Nachfolge. Ein, zwei Mal im Jahr rief sie ihn an und bat, er möge kommen, wenn ein besonders interessanter Fall aufgetaucht war. Manchmal, weil sie seine Meinung hören wollte, doch meist, so argwöhnte er, um ihm das Gefühl zu geben, dass er gebraucht wurde, noch immer wichtig war. Sie benötigte sein Urteil nicht mehr. Jetzt war sie die Lehrmeisterin und er der Schüler.
    Margareta öffnete die Tür und umarmte ihn.
    »Ich hatte fast vergessen, wie schnell du bist.«
    »Alte Gewohnheit, außerdem war ich auf Korsika, bin zwei Wochen Rad gefahren und jetzt in guter Form.« Er lächelte und folgte ihr die Treppe hinauf. Den Stock in dereinen Hand, den Fahrradhelm in der anderen. Die Tür hinter ihnen schloss sich surrend.
    »Du hast Jerker, den Kriminaltechniker, gerade verpasst. Der würde dir gefallen«, sagte Margareta, die vor ihm den Korridor hinunterging, ein Papier in ihr rechter Hand liegendes Büro brachte und sich zum Fahrstuhl begab, statt die Treppe zu benutzen.
    »Korsika«, sagte Margareta. »Ich hatte erwartet, du würdest anrufen, als die Zeitungen über den Fund berichteten, aber das erklärt einiges.«
    In aller Ruhe begann sie über die Leiche zu sprechen, die man auf Pater Noster gefunden hatte.
    »Hamneskär?«, fragte er auf dem Weg aus dem Lift. Konnte das möglich sein?, dachte er im Stillen. Nach all den Jahren?
    »Kennst du die Insel? Ach ja, du und dein alter Holzkahn. Das hatte ich fast vergessen.«
    »Alter Holzkahn? Es ist ein Drake aus afrikanischem Mahagoni, Baujahr 1930«, entgegnete er beleidigt.
    Margareta reichte ihm die Schutzbekleidung und öffnete die Tür zum Obduktionssaal. Er sah sich im Raum um.
    »Schön habt ihr es hier.«
    Der Saal war hell und lag zu ebener Erde. Die Fenster waren großzügig bemessen, Klarglas im oberen Teil und Milchglas im unteren, damit niemand hereinsehen konnte. Weiße Birken standen davor, mit angedeuteten Knospen. Als würde der Frühling zögern.
    Der Mann befand sich auf dem hinteren der beiden Tische. Humpelnd ging der Besucher über den Klinkerboden und blieb plötzlich stehen. Verwundert betrachtete er die dort liegende Leiche. Die lederartige Haut spannte über dem Skelett. Fett und Wasser des Körpers waren zu Wachs geworden und hatten den Mann in eine Mumie verwandelt.
    In der Erinnerung gelangte er zurück zu einem heißen Augusttag vor mehr als vierzig Jahren. Sie hatten den wärmsten Sommer seit Menschengedenken gehabt, und diesen ganzspeziellen Tag würde er nie vergessen. Er war an einer Wegscheide in seinem Leben angekommen, hatte eine vielversprechende Karriere als Chirurg gegen die Arbeit als Rechtsmediziner eingetauscht, eine Entscheidung, die sein Umfeld nie verstanden hatte und die er auch nicht erklären konnte. Nur Karl-Axel wusste Bescheid. Und Elin.
    »Wie du siehst, ist der Tote außerordentlich gut erhalten. Wir haben Glück, dass er in einem gut durchlüfteten Steinkeller gelegen hat, sonst wäre von ihm nichts übriggeblieben. Der Vorratskeller befindet sich oberirdisch, und da der Tote eingemauert war, konnten die Insekten ihm nichts anhaben. Auf einer kleinen Insel weit entfernt vom Land bleibt man außerdem in hohem Maße davon verschont.« Margareta sah ihn an. Er war ungewöhnlich schweigsam.
    »Davon?«, fragte er

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