Die Tochter des Leuchtturmmeisters
Großvater hat Hella dauernd angehalten, sie solle ihre Sachen abholen, aber ich glaube, das meiste befindet sich noch hier. Wir können mal nachsehen.«
Hella war Karins Tante, die immer mit der Zeit mitgegangen war. Karins Großvater und sie waren sich oft in die Haare geraten, vermutlich, weil sie einander so ähnlich waren.
»Ja aber, du hast ja gar keinen Kaffee mehr!« Die Großmutter eilte zur Kaffeemaschine.
Die Wohnung hatte seit Jahr und Tag keine Sanierung erfahren, weshalb es unter anderem auch keine Abzugshaube gab. Die behaglichen Düfte frisch gebrühten Kaffees und der Plinsen breiteten sich jetzt in der kleinen Küche aus. Karins Großmutter zögerte einen Moment, bevor sie in den Flur ging, um die Abendzeitung mit der Reportage über Siri zu holen.
»Hab ich es nicht gesagt.« Die Großmutter schüttelte den Kopf. »Sie hat also wieder geheiratet. Übrigens, wo hast du Göran gelassen? Er ist jetzt ja wohl zu Hause?«
Karin hätte auf die Frage vorbereitet sein müssen. Am besten, sie sagte, wie es stand.
»Ich finde es nicht besonders nett, eine Verlobung nach fünf Jahren aufzukündigen. Das hätte dir früher einfallen müssen. Was werden seine Eltern sagen?«
»Was sollte ich denn machen? Weiter mit ihm zusammenbleiben, obwohl er mir nicht guttat?«, fauchte Karin.
»Ihr hättet doch reden können«, sagte die Großmutter belehrend. »Ich finde, heutzutage geben die Leute zu leicht auf. Als Großvater und ich heirateten …«
Karin kannte niemanden, der sie so unglaublich wütend machen konnte wie ihr geliebtes Großmütterchen.
»Wenn du meinst«, unterbrach sie brüsk. »Vielleicht soll ich anrufen und stattdessen einen Hochzeitstermin vorschlagen, die Probleme können wir ja hinterher lösen.«
»Aber Karinchen, ich will doch nur sagen, ihr hättet darüber reden können.«
»Wir haben doch nichts anderes getan, als zu reden. Du hast keine Ahnung, was zwischen uns war oder wie viel wir geredet haben.« Karin fühlte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen, aber das war ihr egal.
»Es wird schon wieder in Ordnung kommen. Wollen wir nachsehen, ob wir ein paar Zeitschriften finden?« Die Großmutter umarmte Karin und gab ihr einen Schlüssel mit sorgfältig beschriftetem Anhänger.
Der Großvater hatte sich im Haus Danska vägen 72 A zwei Abstellmöglichkeiten zugelegt. Die eine im Fahrradkeller des Hauses. Dort war es warm und hell und roch schwach nach Öl. Diesen Geruch hatte Karin aus ihrer Kindheit in Erinnerung, wenn sie zur Wohnung der Großeltern statt durch den Haupteingang gleich durch den Fahrradkeller gegangen war. Der Geruch war angenehm und irgendwie spannend. Karin hakte das Vorhängeschloss auf und begann den Inhalt des Verschlags durchzugehen. Sie setzte sich auf den Holzschemel und nahm ihres Großvaters Werkzeugkasten auf den Schoß. Sie würde Großmutter fragen, ob sie nicht den Werkzeugkasten bekommen konnte, um ihn an Bord zu haben. Sie wog Stück für Stück in der Hand, jedes der Werkzeuge trug deutliche Benutzungsspuren, war aber gut gepflegt. Karin war das erste Enkelkind gewesen, und Großvater hatte ihr immer erlaubt, mit ihm mitzugehen. Der alte Mann hatte eine enorme Geduld gehabt, doch was Karin geerbt hatte, war in erster Linie seine Hartnäckigkeit.
Sie hatte fast vergessen, dass sie nach alten Magazinen suchte, als ihre Großmutter mit dem Schlüssel zur Bodenkammerkam und sie daran erinnerte. Die ganze rechte Seite des Verschlags lag voller Zeitschriftenstapel. Die Großmutter nahm das zweite Heft von oben, das hoffentlich nicht so staubig war wie das oberste. Ein 1965 erschienenes Exemplar von
Hemmets Journal
. Karin blätterte es durch und las ein paar Hausfrauentipps von der entsprechenden Seite vor. Ihre Großmutter lachte herzlich. Das alles durchzugehen, würde eine Menge Zeit kosten.
»Wie oft kamen diese Zeitschriften heraus?«, fragte Karin.
»Ich glaube, die hier einmal die Woche.«
»Zweiundfünfzig im Jahr … es wäre gut, wenn wir alle Ausgaben von 1963 finden. Damals hatten Arvid und Siri geheiratet.«
Sie brauchten eine Stunde, bis sie die entsprechenden Magazine fanden, und es war schon nach zehn, als sie wieder in der Wohnung waren. Während Karin in der Dusche den Bodenstaub abspülte, hatte ihre Großmutter eine neue Ladung Brote gemacht.
»Wenn du willst, kannst du gern hier übernachten, dann nehmen wir uns die Zeitschriften gemeinsam vor.«
Das war eins der Dinge, die sie an ihrer Großmutter liebte. Trotz ihrer
Weitere Kostenlose Bücher