Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
erzählen. Weiter jetzt.«
Entlang des Flusses waren Felder angelegt. Auch Akyr, die Stadt, in der Maru die letzten Jahre gelebt hatte, lag am Strom, und auch die Budinier hatten Felder am Fluss angelegt, aber die Akkesch hatten ein feines Netz von Kanälen durch die Ebene gegraben, und so war ein breiter Streifen des einst trockenen Tals von Palmenhainen und Feldern bedeckt. Der Dhanis schwenkte kurz hinter der Stadt in einer weiten Schleife nach Süden ab. Und soweit Maru sehen konnte, waren beide Ufer von üppigem Grün gesäumt.
Inmitten der Felder lag der Hafen der Stadt. Er war von einer roten Mauer umgeben, und die Masten einiger Schiffe ragten hinter dieser hervor. Maru hatte in Akyr von Serkesch gehört. Die Budinier sprachen in einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung von dieser Stadt, ihrer Größe – die sicher ungesund war -, ihren uneinnehmbaren Mauern – die die Akkesch und Kydhier wie Vieh zusammenpferchten -, ihrem Reichtum – der doch nur geraubt sein konnte -, den Kanälen, in denen das Wasser bergauf floss – was sicher das Werk böser Zauberer war. Maru hatte sich die Stadt trotz aller blumigen Beschreibungen nie recht vorstellen können. Die nördliche Festung der verhassten Akkesch war in aller Munde, auch wenn niemand, den Maru danach fragte, jemals dort
gewesen zu sein schien. Jetzt lag die Stadt vor ihr, und sie übertraf alles, was sie darüber gehört hatte. Dennoch war etwas seltsam. Sie brauchte einige Zeit, bis sie sich darüber klar wurde, was es war: Es war heller Tag, aber niemand arbeitete auf den Feldern, kein Fischerboot schwamm auf dem Strom.
Sie zupfte Tasil am Ärmel. »Onkel, wo sind die ganzen Menschen?«
»Irgendwo werden sie schon sein«, brummte er.
Das Westtor, dem sie sich im gemächlichen Schritt ihres Pferdes näherten, war von dunkler Farbe. Zwei staubige Wege führten hinaus. Der eine war jener, auf dem sie ritten, der andere führte nach Norden. Dort durchschnitt ein schmales Tal die Hügel des Glutrückens. Die schwarze Rauchwolke, die sie den ganzen Tag schon hatten sehen können, stieg von irgendwo dort auf.
Tasil hielt das Pferd an. Er schien zu überlegen, ob er zunächst in dieses Tal oder geradewegs in die Stadt reiten sollte. Wieder wehte der Klang vieler Hörner aus der Stadt über die Mauer. Maru empfand ihn als misstönend. Vielleicht verstand Tasil dies als Zeichen, jedenfalls entschied er sich für den Weg zum Tor. Die Wälle waren aus Tausenden von gebrannten Ziegeln gemauert. Rund um das mächtige Tor waren sie dunkelrot lasiert, in den vielen goldgelben Flammenzeichen darauf erkannte Maru das Symbol des Feuergottes Brond. Die riesigen, mit Kupfer beschlagenen Holztore, drei an der Zahl, waren verschlossen. Sie wurden von einer Handvoll Speerträger bewacht. Diese wirkten unruhig, aber offensichtlich hatte das nichts mit ihnen zu tun, denn sie schenkten den beiden Ankömmlingen bislang keinerlei Beachtung.
Wieder klang das vielstimmige, misstönende Hörnersignal über die Mauern, und es war so laut, dass Tasils Pferd scheute. Er und das Mädchen hatten alle Hände voll zu tun, nicht abgeworfen zu werden. Die Wächter wichen an die Mauern zurück, so als drohe
Gefahr aus dem Inneren der Stadt. Die Tore öffneten sich, aber zunächst ließ sich nur ein einzelner junger Mann mit rasiertem Schädel sehen. Er rannte aus dem Tor, drehte sich kurz um und rannte dann weiter.
Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Hunderte Menschen drängten aus den Seitentoren. Im Mitteltor erschien eine Schar kahlköpfiger Jungen, die mit kurzen Besen eilig den Weg kehrte, Kinder liefen hinter ihnen und streuten Blumen, die Menge machte aber noch keine Anstalten, ihnen zu folgen.
»Was ist das, Onkel?«, fragte Maru.
»Wart es ab!«, erwiderte der barsch. Er war immer noch damit beschäftigt, das Pferd im Zaum zu halten.
Eine Gruppe stattlicher Krieger marschierte jetzt durch das mittlere Tor. Selbst Maru konnte erkennen, dass dies keine gewöhnlichen Speerträger waren. Sie waren allesamt groß, fast so groß wie der Hüne Fakyn, die Spitzen ihrer Speere waren aus kostbarem Eisen, und ihre großen, runden Schilde waren üppig mit Bronze beschlagen. Sie trugen knielange, mit zahllosen Bronzenieten verstärkte Lederpanzer und federgeschmückte Helme. Achtlos trampelten sie über die gestreuten Blumen hinweg und stellten sich beiderseits des Weges auf. Immer mehr Menschen drängten aus den Seitentoren, aber die Krieger verhinderten, dass sie den Weg
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