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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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waren dank der guten Versorgung durch die Magd der edlen Frau Edgitha gut verheilt, auch wenn ihm die tiefen Narben auf dem Rücken sicher ein Leben lang erhalten blieben. Eine gute Erinnerung, dachte er zynisch, die er mit Sicherheit nicht brauchte, denn alles war in seinem Kopf festgebrannt.
    Alles, vor allem der Tod seiner Frau.
    Ärgerlich schüttelte er die bitteren Gedanken ab und marschierte mit großen Schritten weiter. Nach den vielen schlimmen Ereignissen der vergangenen Monate hatte er schon fast den Glauben an das Gute im Menschen verloren. Hier hatte er ihn wiedergefunden, denn der Vater des Fräuleins, das gelegentlich ein paar freundliche Worte an ihn gerichtet hatte, war der Inbegriff von Güte und Anstand. Ganz so unvoreingenommen stand er seinem eigentlichen Retter Randolf von Bardolfsburg nicht gegenüber, schließlich war der Mann ein enger Vertrauter des Königs, und der war verantwortlich für den Bau dieser verfluchten Hartesburg!
    Schon damals hatten die Bauern der Umgebung Frondienste bei der Errichtung leisten müssen, und zwar mehr, als es ihnen eigentlich möglich gewesen war. Unter kaum vorstellbaren Leiden, zu denen nicht nur der Hunger zählte, bauten sie mit ihrer Hände Arbeit in der unvorstellbaren Zeit von kaum mehr als drei Jahren das mächtige Bollwerk. Guntram war zu Beginn des Baus ein bereits großer, wenngleich sehr schlaksiger Junge von fünfzehn Jahren. Das änderte sich schnell im Laufe der harten Arbeiten, zu denen man ihn heranzog, weshalb er zudem als Hilfe für seinen Vater auf dem Feld wegfiel. Zumindest zogen sie den Bauern dadurch nicht ganz so oft zu den Bauarbeiten ab, und er konnte weiterhin für den Lebenserhalt der Familie sorgen.
    An die Zahl der gefällten Bäume für die errichteten Gebäude konnte sich Guntram kaum noch erinnern. Trotz allem war er wie die meisten anderen in seinem Alter mit Feuereifer dabei, schließlich erhofften sie sich nach der Fertigstellung Arbeit bei der Burgbesatzung. Die Demütigung, nicht nur bei der einfachen Landbevölkerung, sondern auch bei den Adeligen allerStände war groß, als der König die komplette Besatzung mit schwäbischen Landsleuten bestückte. Doch es sollte noch schlimmer kommen! Die Soldaten mussten nicht nur verpflegt werden, sondern stellten zudem den Frauen nach, und es passierte nicht selten, dass ein Mädchen aus der Siedlung als Küchenhilfe oder Magd auf die Burg musste, um den Männern nebenbei zur Befriedigung ihrer Lust zu dienen. Bälger mit dunkleren Haaren als gewohnt waren das Ergebnis dieser Übergriffe, und viele Dorfbewohnerinnen lebten seither in ständiger Furcht.
    Ein dumpfer Aufschrei ließ Guntram aus seinen düsteren Gedanken auffahren. Schnell versteckte er sich im dicht belaubten Unterholz und lauschte angestrengt. Er hatte absichtlich den direkten Weg zur Hartesburg vermieden, um schwierigen Begegnungen aus dem Weg zu gehen. Auf den schmalen Trampelpfaden kam er zwar langsamer voran, doch das störte ihn nicht, schließlich hatte er Zeit.
    »Nimm deine dreckigen Hände von mir!«
    Während der erste Schrei ohne Zweifel männlichen Ursprungs war, so entsprang der Satz, aus dem die Furcht deutlich herauszuhören war, eindeutig einem weiblichen Körper. Zudem glaubte Guntram, die Trägerin der Stimme erkannt zu haben. Auch konnte er die Richtung bestimmen und schlich vorsichtig in geduckter Haltung weiter. Der nächste männliche Ton war schon ganz nah und glich mehr einem lauten Stöhnen. Behutsam zog Guntram die Zweige eines etwa zwei Meter großen Schwarzdorns auseinander, hinter dem er Deckung gesucht hatte, wobei ihm ein kleines, verlassenes Vogelnest entgegenfiel.
    Ein Mann stand leicht gebückt und mit dem Rücken zu ihm da. Der Bauer konnte zwar sein Gesicht nicht sehen,doch der schäbigen Kleidung nach zu urteilen, handelte es sich um keine Person höheren Standes. Trotz der angespannten Situation konnte sich Guntram ein Grinsen nicht verkneifen, denn an der Haltung des Mannes war eindeutig zu erkennen, dass er die Hände schützend vor sein Gemächt hielt.
    »Na warte, das wirst du mir büßen, du elendes Weibsstück!«, ächzte er wütend und richtete sich langsam auf.
    Guntram handelte schnell. Er drückte die Zweige des Strauches zur Seite, erhob sich, sprang aus seinem Versteck hervor und packte den Mann von hinten mit beiden Armen. Mit dem linken Arm umschloss er dessen Brustkorb, den anderen legte er oberhalb der Schultern, so dass er die eine Gesichtshälfte des Mannes

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