Die Tochter des Münzmeisters
Gottwald«, sagte Benno erfreut. »Ich habe Euch heute in der Pfalz vermisst. Eigentlich wollte ich mit Euch den Ablauf der Feierlichkeiten für den Besuch unseres Heiligen Vaters im September besprechen. Aber jetzt führen mich dringende Aufgaben zurück ins Stift. Was habt Ihr morgen früh für Pläne?«
»Es tut mir leid, dass Ihr auf mich warten musstet, Hochehrwürden, aber der Todesfall eines guten Freundes hat meine Anwesenheit in Palitha erforderlich gemacht. Morgen stehe ich Euch selbstverständlich den ganzen Tag zur Verfügung. Ich hatte ebenfalls vor, mit Euch über die Curie zu sprechen.«
Benno neigte den Kopf und sah Gottwald mitfühlend an. »Möchtet Ihr, dass ich mit Euch zusammen bete, lieber Freund? Es erleichtert die Seele und hilft zu vergeben.«
Gottwald sah sein Gegenüber erstaunt an. Mit keinem Wort hatte er erwähnt, dass es sich nicht um einen natürlichen Tod gehandelt hatte. Der Kirchenmann schien es zu bemerken.
»Heute Mittag habe ich Besuch von einem Boten des Abtes aus Palitha bekommen, der mir mitteilte, dass in der Nähe ein mir unbekannter Graf ermordet wurde. Aus Euren Worten habe ich gefolgert, dass es sich bei Eurem Freund eben um diesen Grafen handeln muss.«
Der Vogt war zwischenzeitlich von seiner Stute abgestiegen. »Eure Schlussfolgerung ist richtig, hochehrwürdiger Vater. Aber ich habe bereits in der Kapelle gebetet, in der sein Leichnam aufgebahrt ist. Außerdem habe ich dafür Sorge getragen, den flüchtigen Kleriker wieder einzufangen, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen, und ist mein Herz auch traurig, so ist es doch frei von Hass. Trotzdem danke ich Euch für Euer Angebot.«
Benno nickte kurz, als Zeichen seiner Bereitschaft, nicht weiter auf ein gemeinsames Gebet zu drängen. »Dann sehen wir uns morgen. Ich wünsche Euch eine geruhsame Nacht. Eurer Frau und Eurem Sohn bin ich vorhin übrigens in unserer Stiftskirche begegnet. Soll ich sie nach Hause schicken?«
Gottwald schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich war bereits bei ihnen. Meine Tochter hat mir erzählt, wo sie sich aufhalten. Einen schönen Abend noch, Vater.«
Hier endete Randolfs Erinnerung abrupt, denn während der Vogt weiter zum Palas direkt neben der Pfalz hochgegangen war, war der schmächtige Junge ungesehen zurück zum befestigten Wohnsitz seines zukünftigen Lehrmeisters geeilt.
Mühsam erhob der Ritter sich und verließ die Liebfrauenkirche. Er mochte das kleinere Gotteshaus lieber als die wuchtige Stiftskirche, was womöglich an dem schrecklichen Ereignis lag, das dort stattgefunden hatte.
Kaum fiel das schwere Kirchenportal hinter ihm zu, blieb er stehen und leistete einen weiteren Schwur, der seiner Meinung nach nicht unbedingt Gott gefallen würde. Denn sollte man seinen Feinden nicht vergeben können? Kein Laut drang diesmal über seine Lippen, und hätte ihn jemand gesehen, so bliebe wohl nur der eine Gedanke, dass der müde aussehende Ritter einen Moment der Stille genoss. Oder dass er sich für eine äußerst schwierige Aufgabe wappnete.
Betlindis blieb die Luft weg. Sie presste die zu Fäusten geballten Hände vor den weit geöffneten Mund, aus dem aber kein Laut kam. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und aus ihrem ohnehin schon blassen Gesicht war sämtliche Farbe gewichen.
»Hol ihn mir zurück!«, kreischte sie und krallte sich an Randolfs Ärmel fest. »Ich will ihn wiederhaben«, schrie sie völlig aufgelöst und schüttelte ihren Mann, der hilflos dastand.
Nach einer Weile löste er vorsichtig ihren Griff, nahm sie in die Arme und hielt sie so lange, bis ihr lautes Schreien in ein qualvolles Schluchzen überging und allmählich verebbte. »Es wird ihm nichts geschehen, dessen bin ich sicher. Dietbert von Hanenstein ist nicht bis ins Mark verdorben wie sein Vater, er wird Wort halten«, versuchte Randolf seine Gemahlin zu beruhigen. »Wieso war eigentlich Henrika nicht bei ihm? Sie wollte doch gleich nach Herwin sehen, als ich am späten Vormittag bei ihr war. Wo steckt sie überhaupt?«
Betlindis hing kraftlos in seinen Armen, und sie flüsterteleise: »Ich weiß es nicht. Ich bin auch davon ausgegangen, dass sie bei unserem Jungen ist.«
Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich Randolfs, und er musste sich dazu zwingen, nicht plötzlich aufzuspringen und nach der jungen Frau zu suchen. Erst als Betlindis sich wieder beruhigt und er ihr versprochen hatte, nicht lange fortzubleiben, konnte er sich auf den Weg zum Haus des Münzmeisters begeben.
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