Die Tochter des Münzmeisters
wenn er an diesem Punkt seiner Gedanken angelangt war, versetzte es ihm einen Stich, und automatisch schob er sie zur Seite.
Wenigstens war Herwin nicht länger in Gefahr, da er bei seiner Mutter war und Randolf nicht davon ausging, dass Goslar angegriffen wurde. Immerhin war allgemein bekannt, dass sich der König auf die als uneinnehmbar geltende Hartesburg geflüchtet hatte. Außer Randolf und Henrika begleiteten ihn gerade mal zwanzig seinerRitter und Bischof Benno von Osnabrück, der auch schon unter dem verstorbenen Kaiser gedient hatte. Wahrscheinlich hätte Heinrich auch auf einen Teil seiner Vasallen verzichtet, aber ihnen oblag die Überwachung der Reichsinsignien und einiger königlicher Schätze, die dem König in Goslar nicht mehr sicher erschienen.
»Eine der Mägde hat mir mitgeteilt, dass sich Guntram hier in den Wäldern versteckt hält, um nicht Gefahr zu laufen, irgendwelchen Soldaten der Burg zu begegnen. Angeblich wartet er die Ankunft des sächsischen Heeres unter der Führung des Northeimers ab, um sich ihnen anzuschließen«, berichtete er ihr leise. »Wir können im Moment nicht viel tun, denn auch für uns wäre es mittlerweile zu gefährlich, ohne bewaffnete Begleitung hinunter in den Ort zu reiten. Zumindest wissen wir, dass es ihm gutgeht.«
»Wann rechnet Ihr mit dem Eintreffen des Heeres?«
»Heute, spätestens morgen«, entgegnete Randolf resigniert.
Er hatte sein Möglichstes getan, um den König zum Aufbruch zu bewegen – ohne Erfolg. Heinrich verließ sich ganz auf die Uneinnehmbarkeit seiner Burg und ging davon aus, dass die Angreifer irgendwann aufgaben. Diese Meinung teilte der Ritter allerdings nicht. Es gab nur einen Grund, der nach seinem Dafürhalten gegen ein Verlassen der Hartesburg sprach, nämlich dass ihm kein anderer Ort einfiel. Zumindest bis sich das Heer der Fürsten aus dem südlichen Teil des Reiches in Bewegung gesetzt hatte und seinem fliehenden König Schutz vor den aufständischen Sachsen bieten konnte. Randolf wusste, dass der Schwabenherzog Rudolf von Rheinfelden zusammen mit dem Herzog von Baiern in Kürze aufbrechen würde, denn der eigentliche Zweck war ursprünglich der vom König anberaumte Polenfeldzug.Nun würde es sich entscheiden, gegen wen sie letztendlich kämpften.
Unklar war auch, wie sie es schaffen sollten, die Hartesburg zu verlassen, ohne dass ihre zukünftigen Belagerer sie daran hinderten.
»Ist alles in Ordnung mit Euch?«, fragte Henrika besorgt, nachdem Randolf mit abwesendem Blick ins Leere gestarrt und nicht auf ihre Frage reagiert hatte.
Der Ritter zwang sich, ihr seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden, obwohl er sich nach dem Wiederauftauchen Herwins genau um das Gegenteil bemüht hatte. »Verzeiht mir bitte, was habt Ihr gerade gesagt?«, entschuldigte er sich mit einem missglückten Lächeln.
»Ich habe gefragt, was Ihr davon haltet, wenn ich mir von einer der Mägde ein Kleid borge und hinunter in den Ort gehe. Niemand wird Verdacht schöpfen, und ich könnte möglicherweise nach Guntram sehen.«
»Davon halte ich ganz und gar nichts!«, fuhr Randolf sie schärfer als beabsichtigt an. »Niemand kennt Euch dort, und es ist nicht auszuschließen, dass Euch jemand bei unserer Ankunft gesehen hat.«
Außerdem, dachte er, ohne es auszusprechen, gefällt mir Euer Interesse an Guntram nicht, obwohl ihm selbst daran lag, mehr über dessen Verbleib herauszufinden. Deshalb hatte sich Randolf am Tag seiner Ankunft auf der Hartesburg auch sofort die Gefangenen zeigen lassen, unten denen sich der blonde Hüne zu seiner Erleichterung nicht befunden hatte.
»Sucht einen schattigen Platz auf, Fräulein Henrika, und ruht Euch aus. Etwas anderes könnt Ihr im Moment sowieso nicht tun, und es werden noch genug schlimme Tage auf uns zukommen. Nach allem, was wir von unseren Spähern erfahren haben, sind die aufständischen Sachsen zum Äußersten entschlossen. Bei ihrerVersammlung in der Abtei Hoetensleben, die nach dem schicksalhaften Tag in Goslar stattgefunden hat, haben sie genau das zum Ausdruck gebracht«, sagte er verbittert.
»Wieso weicht Ihr mir aus, seit wir Goslar verlassen haben?«, fragte Henrika plötzlich. »Was ärgert Euch daran, dass ich mich um das Leben Guntrams sorge? Er liegt Euch doch auch am Herzen.«
Ihre Frage traf Randolf derart unvermittelt, dass ihm keine gute Ausrede einfallen wollte, und bevor er es sich versah, hatte er ihr seinen Ärger über die beim König vorgetragene Bitte vorgeworfen.
Henrikas
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