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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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fremd. Würde Gott diesen Weg von allen seinen Schäflein erwarten, dann hätte er seine schützende Hand nach Gottwalds Flucht aus der Klosterschule nicht so lange über ihn gehalten.
    Schnell entdeckte er seine Gemahlin und seinen Sohn kniend vor dem Altar, der zwischen zwei bronzenen Säulen unter der Bogenöffnung der Chorvorlage seinen Platz gefunden hatte. Der eiserne Kasten, in dessen Seiten Bronzeplatten mit verschieden großen Öffnungen eingesetzt waren, stand auf vier knienden Figuren. Obenauf prangte eine schöne weiße Marmorplatte, die mit einem Kreuz gezeichnet war. An den beiden gegenüberliegenden Seiten des Altars befanden sich jeweils zwei Sitzreihen, die der Kaiserfamilie vorbehalten waren. Alle anderen Gottesdienstbesucher mussten stehen oder knien.
    Die beiden waren so sehr in ihr Gebet versunken, dass sie die sich nähernden Schritte zunächst nicht bemerkten. Gottwald war aber noch etliche Meter entfernt, als Goswin einen Blick über die Schulter warf. Für den Vater war das ein Zeichen, dass sein Sohn nach wie vor die Wachsamkeit eines Kämpfers in sich trug.
    Goswin hatte seine Gefühle noch nie verbergen können, und so spiegelte sich nun eine große Erleichterung in seiner Miene wider, die Gottwald für einen kurzen Moment tief bewegte. Der junge Mann war das Ebenbild seines Vaters, wobei sein muskulöser Körper unter dem weiten schwarzen Gewand verborgen blieb. Der Gottesdiener erhob sich und zog seine Mutter am Arm vorsichtig mit in die Höhe. Beide standen abwartend da, und nur weil Gottwald seine Gemahlin besser kannte als irgendjemand anders, blieb ihm ihre Freude ebenfalls nicht verborgen. Ein Außenstehender hätte kaum erkennen können, wie glücklich Edgitha über die Rückkehr ihres Mannes war. Doch anders als bei Hemma waren Mutter und Sohn Gefühlsausbrüche fremd. Die kühle Beherrschtheit seiner Mutter hatte Goswin in gleichbleibende Freundlichkeit zu jedermann umgewandelt.
    Jetzt breitete sich ein Lächeln im Gesicht des jungen Novizen aus. »Gott hat unsere Gebete erhört und Euch wieder wohlbehalten zu uns zurückgebracht. Willkommen, Vater.«
    Gottwald legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes und sah ihm direkt in die Augen, da Goswin inzwischen seine Größe erreicht hatte. Für einen Moment herrschte tiefe Verbundenheit zwischen Vater und Sohn, doch gleich darauf ließ der Vogt die Hand wieder fallen und wandte sich seiner Frau zu. Er führte ihre Finger an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Für sie war es undenkbar, dass ihr Gemahl sie an diesem heiligen Ort in die Arme nahm. Und das wusste er.
    »Es ist wundervoll, dass du wieder bei uns bist. Goswin hat mich in meinen Gebeten unterstützt. Hemma hat es leider vorgezogen, bei den Pferden zu verweilen und dort auf deine Rückkehr zu warten.«
    Gottwald hob missbilligend eine Augenbraue. Er mochte es nicht, wenn seine Gemahlin in einem Atemzug Goswin lobte und Hemmas Verhalten kritisierte. »Ich bin sicher, Gott wird Verständnis für unsere Tochter haben, zumal ihr beide für mich gebetet habt.«
    Er bot seiner Frau den Arm, und sie ließen den Chor hinter sich. Ihr gemeinsamer Weg führte sie durch das große Mittelschiff und zwischen den Säulen hindurch, welche die beiden Seitenschiffe vom Mittelteil trennten.
    Nachdem sie das Stiftsgebäude verlassen hatten, bat Gottwald seinen Sohn: »Begleite deine Mutter bitte nach Hause. Wie ich sehe, seid ihr zu Fuß gekommen. Ich muss noch hoch zur Pfalz und einige wichtige Aufgaben erledigen, schließlich fehlt mir ein ganzer Arbeitstag. Ich werde euch nachher alles berichten, wenn ihr noch so lange aufbleiben wollt.«
    Er küsste seine Gemahlin leicht auf die Wange, nickte Goswin zu und stieg in den Sattel. Die Entfernung zum Pfalzgebäude war nicht groß, doch Gottwald hatte nach diesem langen Tag nicht schon wieder das Bedürfnis, neben seinem Pferd herzugehen. Zu beiden Seiten standen ein- bis zweigeschossige Ritterhäuser, nur der Platz vor der Pfalz war frei, damit die Bewohner Goslars ihrem Kaiser huldigen konnten, wenn er sich in den großzügig gestalteten Fensterarkaden im Obergeschoss zeigte. Als sich Gottwald ein kirchlicher Würdenträger näherte, grüßte er ihn ehrerbietig, denn es handelte sich um den Vicedominus des Stifts. Beide kannten und schätzten sich schon seit längerer Zeit, und der kirchliche Verwalter war nicht unerheblich an der baulichen Fertigstellung des Stifts und des Pfalzgebäudes beteiligt.
    »Gott zum Gruß, mein lieber

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