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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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habt ihr es bloß geschafft, mich zu befreien? Hast du den Brief?«
    »Du darfst dich nicht überanstrengen«, mahnte Henrika streng, die ganz selbstverständlich bei der vertraulichen Anrede blieb. »Ich kann dir das alles später noch genauer erzählen. Jetzt musst du erst einmal gesund werden.«
    »Komm zu mir«, bat Randolf leise und streckte eine Hand aus, deren kleiner Finger mit langen Gräsern an dem kleinen Stock befestigt war.
    Ohne zu zögern rutschte sie zu ihm und legte ihre Hand vorsichtig in seine, ständig darauf bedacht, ihm nicht zusätzliche Schmerzen zu bereiten. Mit der anderenHand strich Henrika ihm behutsam die Haare aus dem Gesicht und meinte zaghaft: »Ich könnte den Dreck wegwischen.«
    Sie stockte, als sie seinem unendlich zärtlichen Blick begegnete, und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die aufgesprungenen Lippen, ohne auf den verfilzten Bart zu achten. All ihre unterdrückten Gefühle, die Erleichterung und die ausgestandene Angst um sein Leben, lagen in dieser Berührung. Obwohl sie so oft dagegen angekämpft hatte und um die Ausweglosigkeit ihrer Liebe wusste, offenbarte sie ihm ihre Gefühle.
    Zwei Tage später befanden sie sich auf dem Weg nach Eschwege, wo Randolf auf das Heer der Fürsten zu treffen hoffte, die sich zum Polenfeldzug gerüstet hatten. Auch der König wollte sich dorthin durchschlagen. An dem Tag hatte es für einen kurzen Augenblick des Schreckens ganz danach ausgesehen, als wären ihre Anstrengungen umsonst gewesen, denn ihr Versteck wurde entdeckt.
    Mehrere Männer des Northeimers zerrten Henrika und den immer noch geschwächten Randolf hervor, während Guntram bereits gefesselt an einem Baum stand. Kein anderer als Graf Otto persönlich wartete auf dem Rücken seines Pferdes ein kleines Stück entfernt bei dem geknebelten Guntram. Verblüfft starrte er die beiden an, fing sich dann aber unerwartet schnell. Nach einem knappen Befehl ließen seine Männer die verängstigte Henrika und Randolf los, und im Anschluss an eine längere Unterredung mit dem verletzten Ritter gab der Northeimer die Anweisung, drei Pferde dazulassen, allerdings unter der Auflage, dass Henrika und die beiden Männer sofort von hier verschwanden.
    Am ersten Tag kamen sie nicht weit, da RandolfsWunden zum Teil erneut aufbrachen, und er schlief sofort ein, kaum dass er auf seiner Decke lag. Auf ihre Nachfragen, warum Graf Otto sie einfach hatte ziehen lassen, schwieg er beharrlich. Überhaupt war die Vertrautheit vom ersten Tag verschwunden, so dass Henrika sich immer öfter fragte, ob sie sich den zwar nur sehr zarten, aber doch über alle Maßen innigen Kuss nur eingebildet hatte. Randolf ließ sie ausschließlich zum Versorgen seiner Wunden an sich heran, ansonsten war er auf Abstand bedacht. Stets höflich, wie es seine Art war, blieb er deutlich zurückhaltend, so als bereue er die kurze intime Situation. Der Brief, den Henrika aus der königlichen Truhe entwendet hatte, steckte in der Tasche seiner Kotte. Ihre Erklärung, dass sie das Schriftstück ohne Schwierigkeiten an sich gebracht hatte, akzeptierte er erleichtert, aber ohne Gegenfragen.
    Am dritten Morgen nach ihrem erzwungenen frühen Aufbruch unterhalb der Hartesburg verabschiedete sich Guntram. Der blonde Hüne war so lange bei den beiden geblieben, bis Randolf sicher war, spätestens am nächsten Tag auf die Truppen des Schwabenherzogs zu stoßen. Jetzt hielt den Bauern allerdings nichts mehr davon ab, zurück zur Hartesburg zu reiten. Sein trauerndes Herz verlangte endlich Frieden, und weder die fortwährenden Bitten Henrikas noch Randolfs Bedenken änderten etwas an seiner Entscheidung.
    Schweren Herzens sah Henrika dem Mann nach, der ihr in den letzten Wochen ans Herz gewachsen war, und hoffte inständig, dass ihn nicht das gleiche Schicksal ereilte wie seine geliebte Gemahlin. In dem Moment wünschte sie sich fast, Guntram möge zu spät kommen.
    »Nehmt bitte noch ein Stück«, bat Henrika und reichte Randolf einen Kanten des letzten harten Brotes, das ihnen als Proviant gedient hatte.
    Seitdem sich sein Verhalten ihr gegenüber abgekühlt hatte, war sie zu der förmlichen Anrede zurückgekehrt, was in dem Verschlag, in dem sie nächtigen durften, ein wenig seltsam anmutete. Entgegen Randolfs Vermutung waren sie bis zum Abend nicht auf das Heer gestoßen, doch der Bauer, dessen Gastfreundschaft sie in Anspruch nahmen, hatte ihnen berichtet, dass die Mannen bloß einen halben Tagesritt entfernt lagerten. Randolf hatte

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