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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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etliche Bedienstete und auch die Männer der Burgbesatzung ihren Pflichten nach. Sie hätte nur unnötig Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wenn sie gelaufen wäre, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her. Allerdings fiel es ihr bei dem Gedanken an den Vogt nicht gerade leicht, nach außen hin Ruhe zu bewahren. Nach einer halben Ewigkeit, so schien es ihr jedenfalls, erreichte sie endlich den Brunnen.
    Der Soldat, der über Randolfs Anblick so entsetzt gewesen war, wartete noch immer mit stoischer Miene auf Henrika. Leicht verwundert glitt sein Blick über ihr unverändert schmutziges Äußeres, doch er sagte nichts dazu. Bevor er ihr über den Brunnenrand half, bedankte sie sich mit einem freundlichen Lächeln bei ihm.
    »Nennt Ihr mir Euren Namen, damit ich dem König von Eurer Hilfe berichten kann«, forderte sie ihn auf.
    Henrika konnte sich später nicht mehr erinnern, wie sie es geschafft hatte, das Ende des Ganges zu erreichen, aber das unendlich schöne Gefühl der Freiheit und die frische Luft des Waldes würden ihr wohl für immer unvergessen bleiben.
    Völlig unmöglich erschien es ihr, während sie vorwärtskrabbelte, dass Guntram den schwer verletzten Randolf durch den fast sechzig Fuß langen Stollen gebracht hatte, ohne ihm weitere Schmerzen zuzufügen. Erst später erfuhr sie von dem Bauern, dass sie den Verletzten auf eine Decke gelegt und ihn so teils ziehend, teils schiebend bis ans Ende des langen Ganges bugsiert hatten. Die beiden Soldaten, die ihm dabei geholfen hatten, waren anschließend wieder zurückgekrochen.
    »Ich gehe hinunter und besorge etwas für seinen Rücken«, teilte Guntram ihr mit, nachdem er sich von ihrem Wohlergehen überzeugt hatte, und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten. Henrika blieb nicht viel anderes übrig, als sich abwartend auf den Boden zu setzen und Randolfs Kopf vorsichtig in ihren Schoß zu betten. Dabei spukte in ihrem Kopf die Angst herum, dass sie möglicherweise für den Tod des Vogts verantwortlich war.
    Immer wieder tunkte sie ein Stück einigermaßen sauberes Leinen, das sie von ihrem Unterkleid abgerissen hatte, in eine Schale mit sauberem Wasser und führte das zusammengerollte nasse Tuch an Randolfs aufgesprungene Lippen. Sie hätte vor Freude fast geweint, als er nach vielen ergebnislosen Versuchen endlich instinktiv daran zu saugen begann. Dass ihr dabei fast fortwährend die Tränen übers Gesicht liefen, merkte sie lange Zeit nicht.
    Am frühen Abend hatte sie es dank Guntrams Hilfe letztendlich geschafft, den Verletzten so gut es ging zuversorgen. Zusammen hatten sie die Stofffetzen aus den teilweise verkrusteten und entzündeten langen Striemen entfernt, die von zahllosen Peitschenhieben stammten, Nachdem sie die Wunden vorsichtig mit einem Aufguss aus Wundkraut gewaschen hatten, legten sie auf die nun teilweise wieder blutenden Verletzungen die vorher zerkauten Blätter des Rippenkrauts und bedeckten anschließend alles damit, so dass der gesamte Rücken unter einer grünen Schicht verschwand. Die vielen Prellungen und Quetschungen mussten ebenso mit der Zeit heilen wie der Rippenbruch. An Randolfs linker Hand war der kleine Finger stark angeschwollen, und Henrika schaffte es, das gebrochene Fingerglied mit Hilfe eines stabilen Zweiges zu fixieren. Zur Fiebersenkung hatte Guntram nichts aus dem Ort herbeischaffen können, und so blieb ihnen nichts weiter übrig, als zu hoffen und zu beten.
    Die Zeit würde zeigen, ob der Finger je wieder richtig zusammenheilte – falls Randolf am nächsten Morgen überhaupt noch am Leben war.
    »Wie konnten Irmingard und ihre Familie das Problem mit dem Toten und den beiden Verletzten lösen, ohne dass man sie dafür zur Rechenschaft gezogen hat?«, fragte die erschöpfte junge Frau Guntram, während sie hungrig kalten, klumpigen Haferbrei in sich hineinlöffelten.
    »Als ich Euch in das Versteck hier gebracht hatte, bin ich zum Lager des Grafen von Northeim gelaufen. Nachdem dieser von seinem Neffen erfahren hatte, eilte er schnurstracks zum Elternhaus Irmingards. Leider waren zwischenzeitlich sowohl Dietbert und die dunkelhaarige Frau als auch der Mann, dem Ihr den Stuhl über den Schädel gezogen hattet, auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ich Trottel habe Irmingard alleine bei ihnen zurückgelassen, weil ich keine Zeit verlieren wollte.«
    »Geht es ihr gut?«, fragte Henrika stockend.
    »Zum Glück ja«, erwiderte Guntram niedergeschlagen. »Die drei haben sie überwältigt und

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