Die Tochter des Münzmeisters
eine einladende Handbewegung in Richtung des Tisches, an dem er gearbeitet hatte. »Wenn ich Euch bitten dürfte, edler Vogt?«
Hemma stand derweil unschlüssig herum und bereute es bereits aus tiefstem Herzen, dass sie ihren Vater begleitet hatte. Clemens hielt noch immer den Kopf gesenkt und spielte mit einem kleinen Hammer, den er zwischen seinen großen Händen hin und her wechselte. Hemma machte es ganz nervös, ihm dabei zuzusehen, daher entschloss sie sich, den wunderschönen Anblick aus dem Fenster zu genießen. Sie lehnte sich auf die Brüstung und betrachtete die prachtvolle Pfalz, während sich ihr Vater mit dem Münzmeister unterhielt. Die junge Frau hing ihren Gedanken nach, und erst eine ungeduldige Aufforderung Friedebrechts ließ sie herumfahren.
»Steh nicht so herum, Clemens, sondern bring mir die Mustermünze, und zwar rasch!«
Vor Schreck ließ der Sohn den Hammer fallen, der ihm prompt auf den Fuß fiel, und Hemma musste sich ein Kichern verkneifen. Sein Vater verdrehte die Augen und fuhr den Jungen gleich wieder an: »So viel Ungeschicktheit gehört verboten! Wie lange soll der edle Vogt noch warten?«
Gottwalds Miene zeigte keinerlei Regung, trotzdem hätte Hemma schwören können, dass er sich amüsierte. Der arme Clemens hob das Werkzeug auf und eilte zu dem großen Buchenschrank. Mit einer kleinen Schatulle in der Hand ging er zu seinem Vater und überreichte sie ihm. Dieser stellte sie vorsichtig vor sich auf den Tisch und entnahm ihr eine kleine Silbermünze, die er Gottwald darbot. Sie war nicht richtig rund, die Ränder waren leicht eingekerbt, und auch das Bildnis des Kaisers erschien dem Vogt nicht ganz gleichmäßig. Er teilte dem Münzmeister seinen ersten Eindruck mit, wobei ihm völlig entging, dass dessen Sohn betreten zu Boden blickte.
Hemma, die ebenfalls herangetreten war, bemerkte es jedoch sofort und mischte sich ohne zu überlegen ein. »Vater, dieser Silberpfennig ist mindestens genauso schön wie die Otto-Adelheid-Pfennige, wenn nicht sogar um einiges gelungener!«
Stirnrunzelnd sah Gottwald auf seine Tochter, dann räusperte er sich umständlich und setzte zu einer Erwiderung an.
Münzmeister Friedebrecht kam ihm zuvor und ging auf Gottwalds Bemerkungen ein. »Ihr habt selbstverständlich recht, edler Vogt. Mein Sohn hat die Münze gefertigt, ihm fehlt noch die rechte Übung.«
Gottwald stöhnte innerlich auf, denn er hatte den jungen Mann keineswegs demütigen wollen, doch seine Kritik war nun nicht mehr rückgängig zu machen. »Clemens, wenn ich das gewusst hätte! Dafür ist sie dir aber prächtig gelungen! Bestimmt wirst du deinem Vater mal ein würdiger Nachfolger sein.«
Die Miene des jungen Mannes hellte sich auf, und anstatt betreten auf den Boden zu blicken, machte sich Verlegenheit auf seinem Gesicht breit. »Ich danke Euch, edler Herr Vogt. Bestimmt wird mir die nächste Münze schon besser gelingen.«
Auch sein Vater konnte den Stolz wegen des unerwarteten Lobes nicht verbergen. »Er stellt sich gar nicht so ungeschickt an. Selbstverständlich habe ich ihn die Münze mit meinem eigenen Silber herstellen lassen. Das Anschauungsobjekt für den Kaiser werde ich natürlich selbst herstellen. Ihr werdet bestimmt zufrieden sein.«
Gottwald nickte erleichtert, und auch Hemma war froh. Kurze Zeit später verabschiedeten die beiden sich. Gottwald ritt die paar Meter zum Pfalzgebäude hoch und Hemma das kurze Stück nach Hause.
Der heisere Schrei einer Eule holte Clemens aus der Versunkenheit zurück, und in der stockfinsteren Werkstatt genoss er für einen Moment das Gefühl, die Gegenwart seiner verstorbenen Frau zu spüren. Dann drängte sich wieder seine Tochter dazwischen, und ihre Vorwürfe zerstörten die träumerische Atmosphäre. Der Münzmeisterseufzte tief, erhob sich langsam von seinem Platz und streckte die müden Glieder. Das Schlimme daran war, dass er die anklagenden Fragen Henrikas teilweise berechtigt fand, er sich im Augenblick jedoch nicht in der Lage sah, ihnen angemessen zu begegnen. Dass er der Konfrontation mit seiner Tochter nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, war ihm allerdings auch klar.
Henrika hatte die Krankheit Albruns als Ausrede benutzt, um ihrem Elternhaus zu entfliehen. Die Ereignisse der letzten Tage hatten die junge Frau unglaublich durcheinandergebracht und um eine neue Erfahrung bereichert. Bisher hatte sie immer gedacht, dass nichts sie aus dem Gleichgewicht bringen könnte, und vor allem, dass man die Vergangenheit
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