Die Tochter des Münzmeisters
verschränkte die Arme vor der Brust. Mit den Füßen reichte er fast bis an die gegenüberliegende Wand, so klein war seine Kammer. Doch das störte ihn nicht, genauso wenig wie das leicht modrig riechende Stroh, auf dem er nächtigen musste. Er hatte in seinem verfluchten Leben schon an übleren Orten geruht. Mit dem Gedanken an die hübsche Tochter des Münzmeisters schlief er einige Zeit später auf seinem unbequemen Posten ein.
Henrika schnappte sich ihren Umhang, lief leichtfüßig die Treppe hinunter und öffnete einen kleinen Spaltbreit die Tür, die zur Werkstatt führte. »Ich reite schnell hinüber zum Bergedorf und sehe nach Albrun. Der Stallbursche von Herrn Randolf wird mich begleiten«, rief sie ihrem Vater zu. Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, zog Henrika auch schon die Tür hinter sich zu, ohne die Antwort abzuwarten.
Sie eilte hinaus und über den belebten Platz bis zu den Pferdeställen, in denen Clothar genächtigt hatte. Randolf hatte ihr auf dem Weg nach Goslar angeboten, dass sie die Hilfe des Jungen ruhig in Anspruch nehmen dürfe, solange er hier festsaß, denn Clothar musste mit seiner Rückkehr zum Gut auf seinen Herrn warten.
Als Henrika hinter sich die Rufe ihres Vaters hörte, ignorierte sie ihn einfach und beschleunigte ihren Schritt. Gleich nach ihrer Ankunft am gestrigen Abend hatte sie das Gespräch mit ihm gesucht, wobei sie es gerade noch geschafft hatte, abzuwarten, bis Randolf sich verabschiedet hatte. Der Ritter musste zum König, der zu seiner Überraschung bereits in Goslar weilte.
Die Unterredung mit ihrem Vater war kurz und heftig verlaufen, da Henrika Erklärungen für vieles forderte, was Clemens ihr nicht geben wollte oder konnte. Als sie schließlich auf ihre Augenfarbe zu sprechen kam, hatte er kurzerhand die Unterhaltung für beendet erklärt und sie der Werkstatt verwiesen. Wutschnaubend hatte sie daraufhin ihre Großmutter aufgesucht, und nachdem auch diese ihre schlechte Laune zu spüren bekommen hatte, hatte Henrika sich auf ihr Zimmer zurückgezogen, denn sie wollte keinesfalls das abendliche Mahl gemeinsam mit den beiden einnehmen.
Hätte sie es versucht, wäre sie wohl überrascht gewesen, denn der Tisch, an dem sie tagtäglich zusammen aßen, blieb an diesem Abend leer. Edgitha hatte sich mit Kopfschmerzen frühzeitig zu Bett begeben, da ihr der ungewohnte Ausbruch ihrer Enkeltochter sehr zugesetzt hatte.
Clemens dagegen hatte fast die halbe Nacht in seiner Werkstatt verbracht. Diese war sein liebster Raum in dem Haus, denn hier hatte er zum ersten Mal Hemma gesehen und sich sofort rettungslos in sie verliebt. Damals hatte er sich allerdings keinerlei Illusionen hingegeben, denn sie war schließlich die Tochter des Vogts und in ihrer Zartheit noch dazu atemberaubend schön. Er dagegen war weder gutaussehend noch hässlich zu nennen, sondern einfach nur unscheinbar, und diese Eigenschaft reichte wahrlich nicht aus, um Hemma zu imponieren. Doch damit hatte er sich damals abgefunden und war glücklich darüber gewesen, wenn er sie ab und zu bewundern durfte.
Wie an jenem Nachmittag, als sie mit ihrem Vater nach einem Ausritt zum Klusfelsen bei ihnen in der Münzwerkstatt vorbeischaute. Tief in Gedanken versunken glitten Clemens’ Fingerspitzen über die freie Griffseiteder Stückelschere, deren anderer Griff wie üblich im Holzblock steckte.
Clemens sprang sofort auf, als er den Besuch bemerkte, und verbeugte sich tief. Hemma, die hinter ihrem Vater ging, trat ein wenig zur Seite und bemerkte verlegen, dass Clemens’ Gesicht eine tiefrote Färbung angenommen hatte.
Jetzt sah auch sein Vater von einer Zeichnung auf, in die er vertieft war. Er legte seine Feder zur Seite, erhob sich und ging mit einer leichten Verbeugung auf Gottwald zu. »Edler Vogt, verehrtes Fräulein Hemma, welch eine Ehre, Sie hier in unserem bescheidenen Haus begrüßen zu können«, sagte er.
Gottwald grinste verschmitzt. Er mochte den Mann, obwohl er ständig das Gefühl hatte, dass er sich über jeden lustig machte, was wohl seinem listigen Gesichtsausdruck zuzuschreiben war. Und bescheiden war sein Haus nun wahrlich nicht! Im Gegenteil, Friedebrecht genoss höchstes Ansehen hier im Ort, zumal der Kaiser ihn bei seinem letzten Besuch in der Stadt höchstpersönlich aufgesucht hatte, um ihm den Auftrag für eine neue Münze zu erteilen.
Das war auch der Grund für Gottwalds Besuch. »Schönen guten Tag, Münzmeister. Wie steht’s mit den Entwürfen?«
Der Kaufmann machte
Weitere Kostenlose Bücher