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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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gerötet, und ihre Augen hatteneinen leicht unnatürlichen Glanz. »Ganz gut, ich bin auch nicht mehr so schlapp wie an den letzten beiden Tagen. Mutter ist gerade zum Markt gegangen, weil sie neue Kräuter braucht für meinen Tee. Ihr glaubt ja gar nicht, wie scheußlich der schmeckt.«
    Henrika lachte und strich mit einem Tuch über die feuchte Stirn ihrer Freundin. »Du weißt doch, was deine Mutter immer sagt: ›Nur was schlecht schmeckt, das hilft auch.‹ «
    Albrun zog eine Grimasse und schien nicht wirklich überzeugt zu sein. In dem Augenblick fiel ein Schatten auf die beiden jungen Frauen, und Henrika wandte sich zum Eingang, in dem der Vater der Kranken stand und die Besucherin mit einer leichten Verbeugung begrüßte. Wie bei den Bergleuten üblich, trug er Hemd und Hose aus braunem, grobem Tuch, und seine Füße steckten in derben Bundschuhen. Er war nicht sehr groß, aber kräftig, und seine Haare und Augen waren wie beim Rest der Familie von dunkler Farbe.
    »Fräulein Henrika, wie nett, dass Ihr Euch extra hierher bemüht. Gehört der Junge draußen zu Euch?«
    Henrika erhob sich und begrüßte Humbert mit einem Lächeln. Sie hatte bei ihm schon immer das Gefühl gehabt, dass er sie ins Herz geschlossen hatte. »Ja, er hat mich begleitet, obwohl ich mir durchaus zutraue, den Weg alleine zu bewältigen.«
    Humbert lächelte nachsichtig und murmelte leise etwas in seinen mittlerweile ergrauten Bart.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Henrika schärfer als beabsichtigt, denn sie glaubte, etwas verstanden zu haben, was so ähnlich klang wie »Ganz das Fräulein Hemma«.
    »Gar nichts, Fräulein Henrika, ich denke nur, dass Euer Vater recht hat, wenn er sich um Euch sorgt«, entgegnete der Bergmann sanft.
    Henrika versuchte dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Der Junge heißt Clothar und ist übrigens der einzige Mensch, den ich kenne, der wie ich grüne Augen hat, wenn er auch sonst nicht viel erzählt«, erklärte sie lächelnd.
    Dabei beobachtete sie Humbert verstohlen aus den Augenwinkeln, weshalb ihr auch sofort auffiel, dass der alte Bergmann plötzlich leichenblass wurde und leicht schwankte. Mit einer Hand stützte er sich am Türrahmen ab und murmelte mit zitternder Stimme eine Entschuldigung, dass er wieder zurück zur Grube müsse.
    Gleich darauf war er verschwunden.
    Henrika fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als wollte sie den Schleier wegwischen, der sich darüber gelegt hatte. Ohne Zweifel stimmte ihre Vermutung, dass Humbert mehr über ihre Vergangenheit wusste. Schnell verabschiedete sie sich von der überraschten Albrun und eilte deren Vater nach.
    »Humbert, warte bitte!«
    Genau wie sie zuvor ihren Vater ignoriert hatte, beachtete Humbert ihre Rufe nicht, so dass sie den verdutzten Clothar stehen ließ und weiterlief. Kurz vor der Grube hatte sie den Bergmann endlich eingeholt. Ohne sich um die Männer zu kümmern, die ihre Arbeit in der ungefähr acht Meter tiefen glockenförmigen Grube unterbrachen und sie neugierig beobachteten, hielt sie Humbert am Ärmel seines Bergmannkittels fest und zog heftig an dem dünnen Stoff.
    »Wieso hat dich die Erwähnung meiner Augenfarbe so aus der Fassung gebracht?«, brachte sie keuchend hervor.
    »Ihr irrt Euch, wertes Fräulein! Mir ging es nur gerade nicht gut. Ein leichter Schwächeanfall, nichts weiter.«
    Henrika spürte, dass er nicht die Wahrheit sagte, dochebenso wusste sie instinktiv, dass er nichts sagen würde, was er nicht wollte. Vielleicht konnte er ihr ja andere Dinge erzählen, und so fragte sie ihn, während sie sich um Ruhe bemühte, wie er eigentlich hierher gelangt sei.
    Humbert zögerte einen Moment, während er zu den Männern hinübersah, die sich wieder eilig mit ihren Hacken und Schaufeln an die Arbeit machten. Er war ein ruhiger Mensch, der nicht viel Worte machte, doch wie aus heiterem Himmel fing er auf einmal an zu erzählen.
    »Als es meine Frau und mich vor vielen Jahren hierher verschlagen hat, da hat Euer Großvater mir sofort eine Anstellung gegeben. Damals gehörte die Grube ihm, und den Männern, die für ihn arbeiteten, ging es gut, denn er war ein ausgesprochen gerechter Herr und vertraute mir, obwohl die Ausbeute anfangs nicht gut war.«
    Humbert schien weder das Geräusch der Drehraspel, mit deren Hilfe die großen, festen Gangstücke aus der Grube geholt wurden, noch die Schläge des Hammers, der die geförderten Stücke zerschlug, zu hören, so sehr war er in der Erinnerung versunken.

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