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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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ruhen lassen sollte. Was nicht sehr verwunderlich war, immerhin lebten es ihr in ihrem Elternhaus jahrelang alle so vor. Regen Austausch mit den Einwohnern des Ortes hatte Henrika auch nicht gehabt, da sie den Kontakt zu anderen eher mied und lieber unter Familienmitgliedern weilte.
    Alles war mit einem Schlag anders, und Henrika hatte sich fest vorgenommen, auf all ihre Fragen Antworten zu finden, denn noch immer wusste sie nur Bruchstücke von den Jahren bis zu dem Überfall. Und auch davon hatte sie noch lange nicht alles erfahren, das spürte sie instinktiv. Niemand hatte ihr bisher erklären können, wieso sich ihre Mutter und deren jüngerer Bruder zu dem Zeitpunkt außerhalb des sicheren Hofes aufgehalten hatten und so für die Eindringlinge leichte Beute waren. Um die Fakten zu einem Komplettbild zu verbinden, fehlten ihr noch zu viele Teile.
    Clothar, der mit einem anderen Jungen geplaudert hatte, beeilte sich auf Henrikas Wunsch, die beiden Pferde zu satteln und sie zu Albrun zu begleiten.
    Die junge Frau, die seit sechs Jahren im Haus des Münzmeisters mithalf und vor allem Waltraut zur Hand ging, besaß hier eine Schlafgelegenheit in einer kleinen Kammer im Keller des großen Hauses. Da die Siebzehnjährige vor ein paar Monaten geheiratet hatte, ging sie seitdem abends immer in die kleine Hütte zu ihrem Mann zurück ins Bergedorf, der wie ihr Vater ebenfalls Bergmann war. Henrika hatte erfahren, dass die junge Frau seit ein paar Tagen an einem leichten Fieber litt. An sich verleitete das nicht zur Sorge, doch da sie ein Kind erwartete, hatte Clemens angeordnet, dass sie bis zu ihrer Gesundung im Haus ihrer Eltern bleiben solle.
    Henrika mochte Humbert und seine Gemahlin Gertrud schon immer gut leiden und war als Kind des Öfteren bei ihnen gewesen, da Albrun nur knapp zwei Jahre älter war und die beiden Mädchen fast wie Schwestern füreinander empfanden. Woher die Verbindung der beiden sehr unterschiedlichen Familien stammte, hatte Henrika nie hinterfragt, sondern es stets als gegeben hingenommen. Ihr Vater hatte aufgrund seiner Arbeit manchmal mit Humbert zu tun, wenn er mit ihm über die Qualität des Brandsilbers fachsimpelte.
    Nun wollte sie den wahren Grund herausbekommen, denn sie spürte, dass der ruhige Bergmann mehr über ihre Familie wusste als sie selbst. Allerdings war sie mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass höchstwahrscheinlich jeder im Ort mehr darüber wusste, und dieses Gefühl verletzte sie sehr.
    Obwohl der Ort in den letzten Jahren gewaltig angewachsen war, lag das Bergedorf am Fuße des Rammelsbergs noch immer außerhalb der schützenden Palisaden und Gräben. Der Weg dorthin war viel zu kurz, und Henrika wäre gerne noch ein wenig länger durch die Landschaft geritten, aber dann setzte sich ihre besonneneArt durch, denn sie wusste, dass ihr Vater dagegen gewesen wäre. Lange Ausritte waren ihr nur selten vergönnt, denn der Münzmeister hielt nicht viel davon. Lediglich wenn sie mal wieder die Familie ihres Onkels Goswin besuchte, konnte sie ihrer geheimen Leidenschaft nachgehen.
    Schon von weitem sah Henrika die Abraumhalden, dafür war der gesamte Baumbestand in dem Bereich verschwunden. Das Holz diente aber nicht nur für den Bau der Hütten der Bergarbeiterfamilien, bei denen es sich vorwiegend um einfache Behausungen aus Lehmfachwerk handelte, sondern vor allem dazu, das kostbare Silber zu gewinnen.
    Bevor die beiden Reiter ihr Ziel erreichten, passierten sie die Johanneskirche, in der die Gottesdienste für die Bergarbeiterfamilien stattfanden. Langsam ritten sie stetig weiter bergan, und als sie bei der Hütte des Bergmanns ankamen, gab Henrika dem Jungen die Zügel ihres Pferdes mit der Anweisung, auf sie zu warten. In der Siedlung herrschte reges Treiben, und Humberts Zuhause war eines derjenigen, die am stabilsten waren. Die Hütte, in der er zu Gottwalds Zeiten mit seiner Familie gewohnt hatte, gab es schon lange nicht mehr. Das Geschrei und Juchzen spielender Kinder begleitete Henrika beim Eintreten, denn die Tür stand weit offen.
    »Fräulein Henrika! Wie schön, dass Ihr mich besuchen kommt.« Albrun, die auf einem roh zusammengezimmerten Bett lag, stützte sich auf der mit Stroh gefüllten Unterlage ab und machte Anstalten aufzustehen.
    Mit wenigen Schritten war Henrika bei ihr und drückte sie wieder sanft herunter. »Bleib liegen, du Närrin! Wer hat gesagt, dass du aufstehen sollst, wenn ich komme? Sag, wie geht es dir?«
    Albruns Wangen waren

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