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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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sich einige Wolken am Himmel, die aber noch keinen Regen in sich trugen. Bis zum Mittag hatten sie die Hälfte der Wegstrecke hinter sich gebracht und teilten den Proviant, den sie als Wegzehrung mitgenommenhatten. Der Stalljunge, der sie begleitete, war noch keine zehn Jahre alt und ein schüchternes Bürschchen, von dem Henrika nur mit Mühe den Namen erfahren hatte. Aber wenn er auf der älteren Stute saß, schien er mit dem Tier zu verschmelzen, und ein Leuchten erschien auf seinem kleinen Gesicht. Beim Essen hielt er, genau wie beim Reiten, ein paar Meter Abstand, obwohl Randolf ihn nicht dazu aufgefordert hatte und Henrika auch nicht den Eindruck gewann, als hätte der Junge Angst vor seinem Herrn.
    »Warum habt Ihr eigentlich keinen Knappen, Herr Randolf?«, fragte Henrika, während sie dem Ritter das kühle Getränk reichte. Als ihre Finger sich kurz berührten, zog sie die Hand schnell zurück, aber das seltsame Kribbeln in ihrem Bauch ließ erst nach, als ihr Begleiter zu sprechen begann.
    Randolf setzte seinen Wasserschlauch an, dessen Leder ziemlich abgegriffen aussah, und trank ein paar große Züge. Sie hatten die Trinkbehälter erst vor kurzem mit dem frischen Wasser eines klaren Baches gefüllt. Anschließend wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und verschloss den Schlauch.
    »Folkmar war bisher bei mir, doch vor ein paar Wochen musste er zu seinem Vater reisen, dessen Lehnsherr der Bischof von Paderborn ist. Wir werden die Ausbildung nach seiner Genesung wieder aufnehmen.«
    »Seid Ihr mit ihm verwandt?«, fragte Henrika, um das Gespräch in Gang zu halten.
    »Nein, aber Gut Liestmunde gehörte früher einmal einer Tante des Bischofs, und über den haben wir uns kennengelernt.«
    Obwohl Henrika spürte, dass Randolf das Thema nicht sonderlich behagte, konnte sie ihre Neugier nicht zügeln. »Eure Frau hat mir erzählt, dass ErzbischofAdalbert Euch das Gut als Geschenk zur Hochzeit vermacht hat. Seid Ihr ein Verwandter von ihm?«
    Randolfs Gesichtszüge verhärteten sich, und er antworte knapp:
    »Ich habe keine weiteren Verwandten außer meinen Sohn.«
    Henrika erschrak ob der ungewohnt harschen Antwort und sagte entschuldigend: »Verzeiht mir bitte meine Neugier. Es geht mich schließlich nichts an.«
    Randolf atmete tief durch und schüttelte müde den Kopf. »Nein, ich habe mich zu entschuldigen, meine Antwort ließ an Höflichkeit zu wünschen übrig. Wenn es sich in der Zukunft einmal ergeben sollte, dann werde ich Euch erklären, warum es mich sehr viel Kraft kostet, über den Erzbischof zu sprechen, so dass Ihr mich hoffentlich besser verstehen werdet. Doch auch ich wollte Euch etwas fragen, und ich hoffe nun meinerseits, dass Ihr mir meine Neugier nachseht. Was, glaubt Ihr, ist der Grund für das gewollte Bündnis zwischen Euch und Dietbert von Hanenstein? Hat Euer Onkel etwas erwähnt?«
    »Nun, nicht direkt, aber ich denke, das liegt auf der Hand. Will der König nicht damit erreichen, dass die jahrelangen Streitigkeiten zwischen unseren Familien enden? Letztendlich kann der Sohn nichts für die Handlungen des Vaters, oder?«
    Ungläubig sah Randolf sie an. »Dann hat Euch Euer Onkel also gar nicht alles erzählt? Auch nicht, dass er fast durch Dietberts Hand gestorben wäre? Vielleicht habt Ihr Burchards Sohn sogar gesehen, damals in der Stiftskirche St. Simon und Judas. Habt Ihr ihn denn nicht bei Eurer ersten Begegnung wiedererkannt?«
    Henrika war bei seinen Worten erbleicht, erwiderte jedoch nichts darauf, und zu ihrer großen Erleichterungließ Randolf es dabei bewenden. Während der nächsten Stunden blieb sie in ihren Antworten einsilbig und brütete düster vor sich hin. Auf einmal verstand sie, warum ihr der Mann auf dem Markt so bekannt vorgekommen war, und schalt sich, dass sie nicht selbst darauf gekommen war. Andererseits lag das schreckliche Ereignis viele Jahre zurück, und sie selbst war damals noch ein Kind gewesen, das die Erlebnisse danach verdrängt hatte.
    Seit dem Gespräch mit ihrem Onkel drückte alles wieder mit Macht an die Oberfläche, und Henrika musste sich wohl oder übel der Vergangenheit stellen. Nun hatte sich ein völlig neuer Aspekt ergeben, und ihr ursprünglicher Gedanke, sich dem Wunsch des Königs zu beugen, entbehrte nun jeglicher Grundlage. Wut glomm in ihr auf. Ein Gefühl, das sie jahrelang unterdrückt hatte, um immerzu allen Anforderungen und Wünschen gerecht zu werden. So muss meine Mutter gefühlt haben, dachte sie mit einem Mal

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