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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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niemand hat es gerne, die ganze Zeit über herumkommandiert zu werden.«
    »Bei einer Dreiergruppe«, sagte Ratsnickle nachdenklich, »liegen die Dinge natürlich anders. Sie kann jede Richtung einschlagen, aber gewöhnlich endet es damit, daß zwei Personen oben sind. Um das Gleichgewicht zu wahren, muß diejenige, die unten landet, die doppelte Vorherrschaft hinnehmen. Sie muß lernen zu kriechen. Sie muß so weit gebracht werden, daß sie die eigene Erniedrigung wertschätzt.«
    Monkey warf einen raschen Blick auf Jane. Ihre Augen waren hart und glänzend wie pechschwarze Knöpfe. Sie blähte die Nasenflügel. Dann schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. »Das ist pervers.«
    »O ja«, stimmte Ratsnickle zu. »Dann jedoch ist vieles pervers.«
    Jane starrte in den Kerzenhalter. Sie sah zu, wie die Flamme in dem dicken roten Glas verschwand und wieder auftauchte. Wie eine Motte, die darum kämpfte zu fliehen. »Du hast angekündigt, daß du mir was zu sagen hast.«

Der ächzte nicht länger arm und beraubt,
    Ein Glorienschein umstrahlte sein Haupt.

    »Hm? Ah ja, das habe ich. Du bist in einem solchen Wirbel seltsamer Ereignisse geflohen ...« Ratsnickle zog einen Umschlag aus einer Innentasche der Jacke und legte ihn neben seinen Becher auf den Tisch. Jane streckte die Hand nach dem Umschlag aus. Ratsnickle zog ihn zurück. »Seltsame Ereignisse. Seltsam, in der Tat. Du bist so plötzlich verschwunden, daß du dir nicht mal die Mühe gemacht hast, dich von deinen alten Freunden zu verabschieden. Schließlich haben wir einander etwas bedeutet. Das hat meine Neugier angestachelt, und ich habe etwas herumgeschnüffelt.«
    Monkey fragte scharf: »Ihr seid mal miteinander gegangen?«
    »Nein.«
    »Es war nichts - eine Jugendtorheit.« Ratsnickle machte eine wegwerfende Geste. »Ich habe Strawwe dazu überredet, eine Anfrage beim Büro des Kinderfängers zu stellen.« Er tippte bedeutungsvoll auf den Umschlag. »Bist du nicht neugierig, was sie gesagt haben?«

Du bist das Tor, durch das die Liebe
    hineintritt in ...

    Die Stimme des Dichters war hoch, näselnd und stockend; ein Strauß unangenehmer Eigenschaften.
    »Müssen wir uns diesen Müll anhören? Nein, ich bin nicht neugierig. Was geht mich das denn an?«
    »Was, in der Tat?« Ratsnickle steckte den Umschlag in die Tasche zurück und wechselte unvermittelt das Thema. »Ich hoffe, dir hat der heutige Abend gefallen, Monkey, mein Liebling. In der Stadt umherschlendern, Schaufenster betrachten, unsere angenehme Unterhaltung.«
    Sie umarmte ihn. »Du weißt, es hat mir gefallen, Rattilein.«
    »Wenn du nur eine von allen Sachen haben könntest, die wir uns heute abend angesehen haben, was wäre das?«
    »Oh, die Faunhandschuhe. Ohne Frage, die Handschuhe.«
    Ratsnickle wandte sich an Jane. »Du hast gehört, was die Dame gesagt hat.« Er schnippte mit den Fingern, als müßte sie wohl oder übel gehorchen.
    Zu entsetzt, um sich ihrer Entrüstung richtig bewußt zu sein, rief Jane: »Aber sie würden mich nicht mal durch die Tür lassen. La Jettatura ist eine Nummer zu groß für mich. Zu protzig.«
    »Wir vertrauen dir.« Ratsnickle stand auf, und Monkey folgte ihm. Er legte ihr besitzergreifend eine Hand auf den Hintern und führte sie weg. »Unsere kleine Maggie kann mehr, als sie selbst glaubt.« Über die Schulter hinweg formte er mit dem Mund einen Kuß.
    Als die beiden hinausrauschten, erhob sich von unten prasselnder Applaus. Der Dichter war mit seiner Lesung fertig. Er trat von der Bühne ab und wurde von einem anderen abgelöst, der ihm so ähnelte wie eine Zigarette einer anderen. Der Neue räusperte sich ins Mikrophon und begann:

Was mag dich plagen, Rittersmann?
    Schweifst so allein und fahl umher.

    Statt sich zu überlegen, ob nun La Jettatura jenseits ihrer Reichweite lag oder nicht, hätte Jane Ratsnickle direkt herausfordern müssen. Sie hätte ihm sagen müssen, daß sie niemals mehr für ihn stehlen würde. Hätte sagen sollen, daß nichts in seinem Umschlag sei, das ihren akademischen Status irgendwie beeinträchtigen könnte. Daß sie sich nicht vor ihm fürchtete, jetzt nicht mehr.
    So vieles hätte sie sagen sollen.

    Die Buchhändler in der Old Regents Hall versorgten die ganze Stadt. Da jedoch der größte Teil von Senauden von der Universität in Anspruch genommen wurde, spezialisierten sich viele auf Lehrbücher aus zweiter Hand, Werke obskurer Forschungsbereiche sowie andere Bücher, für die Studenten ein besonderes Interesse

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