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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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hatten.
    Die Bücherstände waren zwei und drei Stockwerke hoch, hatten jedoch so wenig Platz zwischen sich, daß sich zwei Kunden nicht ohne Unannehmlichkeiten aneinander vorbeiquetschen konnten. Vor langer Zeit hatte man nachträglich Wasser- und Gasleitungen unterhalb der gewölbten Decke mit den indigo- und goldfarbenen Sternen eingebaut. Sanft und unerbittlich zischte Dampf aus den Verbindungen einer Gruppe von Röhren, und Wasser kondensierte an der Unterseite einer anderen Gruppe. Ein steter Nieselregen fiel auf die grünen Dächer der Geschäfte und die Platten dazwischen.
    »Warum willst du unbedingt ein Orchideenbuch haben? Kannst du dir nicht auch so einen Namen ausdenken?« Sirin nahm einen Regenschirm vom Gestell am Westeingang und schüttelte ihn auf. Jane nahm einen anderen.
    »Möglich. Obwohl, ist ’n bißchen schwierig. Es ist so etwas Persönliches, weißt du? Ich mag keine zu rasche Entscheidung treffen und möchte nicht an so was wie Lady Fatima hängenbleiben.« Die Regenschirme waren aufgespannt, und Jane und Sirin nahmen einander beim Arm. In der Passage zwischen den Geschäften wimmelte es von Fußgängern.
    »Jenny Greenteeth hat ihre Miß Primseys Garten genannt.«
    »Zu blumig. Das ist fast so schlimm wie der Name, den Eleanor der ihren gegeben hat.«
    »Wie hat sie sie genannt? Sag’s mir!«
    »Bossy.«
    »Oh, scheußlich! Ist der Name von ’ner Kuh! Kennst du die Bwca unten im Flur, von dir aus gesehen? Sie behauptet, sie hat sich für Siege Perilous entschieden.«
    »Das ist ein guter Name.«
    »Und dennoch keiner, der sehr viel Beachtung auf sich ziehen wird.« Sirin kicherte. »Raven sagt, sie denkt daran, ihre die Unentrinnbare Höhle der Verzweiflung zu nennen.«
    »Sie schmollt einfach, weil sie bei einem Blutmai übergangen worden ist. Hast du gehört, wie Nant ihre genannt hat?«
    »Nein, wie?«
    »Plage.« Jetzt lachten sie beide. »Und du?«
    »Fleischwolf.«
    »O nein! Wirklich?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe sie Courage genannt. War das nicht ...«
    »Rasch!« Jane packte ihre Freundin am Arm und zog sie in den erstbesten Buchladen. Über der Tür stand in vergoldeten Lettern INGLESOOT’S. »Rein hier!«
    Erstaunt reckte Sirin den Hals und sah mit offenem Mund in die Passage hinaus. »Jane! Was kann denn dort draußen ...« Puck Aleshire schritt mit grimmigem Gesicht an der Tür vorüber. Er war barhäuptig, ungeachtet des Regens, und sah weder nach rechts noch nach links. Die wippenden Regenschirme verschluckten ihn. Sirin stieß einen verärgerten Laut aus. »O Puck. Diese Sache zwischen dir und ihm nimmt allmählich beängstigende Züge an.«
    Janes Herz setzte einen Schlag lang aus. »Was für eine Sache? Was hat er über mich erzählt?«
    »Er hat nichts über dich erzählt, und weißt du auch, warum ? Weil du ihn übersiehst, ihn meidest, nichts mit ihm zu tun haben willst. Er kann nicht etwas wollen, von dessen Existenz er nichts weiß.«
    Jane machte sich daran, einen Tisch mit Remittenden, Traumbüchern, Kreuzworträtselsammlungen und Kräuterbüchern zu durchwühlen. »Er hat den Gestank des Todes an sich. Du siehst mit einem Blick, daß er den Zehent nicht überleben wird.«
    »Das macht ihn doch nur um so reizvoller. Es sollte alles in dir ermutigen, was lasterhaft ist.« Ein ärgerliches Licht tanzte in Sirins Augen. »Komm schon, Jane, an ihm ist nichts auszusetzen. Du kannst alles mit ihm tun, was du willst, und er wird nicht im nächsten Semester angekrochen kommen und dich daran erinnern. Jedes normale Mädchen wäre dankbar für eine solche Gelegenheit.«
    »Nun, das hab ich schon mal durchgemacht, vielen Dank. Nie wieder.«
    Sirin stampfte mit dem Fuß auf. »Verflixt und zugenäht! Du bist einfach völlig unmöglich. Ich weiß nicht, warum ich es mit dir aushalte.«
    »Aber ich ...«
    »Ja, schon gut! Wirst ja sehen, ob ich dir jemals - jemals! noch einen Gefallen tue.«
    Weiß vor Wut schoß Sirin aus dem Geschäft. Sie verschwand in den wirbelnden Strömen der Menge.
    Jane war wie betäubt. Es ergab überhaupt keinen Sinn. In einem Augenblick lachte Sirin, und im nächsten war sie sauer. Ihre fröhliche Stimmung war so rasch verschwunden wie das Licht auf einer Wiese, wenn eine Wolke an der Sonne vorbeigleitet. Keines von Janes Worten konnte Ursache für diesen Umschwung sein.
    Sie seufzte, wandte sich den Regalen zu und legte die Hand genau auf das, was sie suchte. Es war ein schmales, in gepunztes Leder gebundenes Buch mit dem Titel Der Name

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