Die Tochter des stählernen Drachen
würden die Ergebnisse am wenigsten verzerren.
Nachdem die Kerzen festsaßen, holte Jane ein Federmesser hervor. Sorgfältig ritzte sie Runen zwischen die zweiten und dritten Gelenke jedes zweiten Fingers: ein sfwa auf den Daumen, ein ya auf den Mittelfinger und ein sig auf den kleinen Finger. Insgesamt ergab sich so der geheime Name der Göttin in ihrer Eigenschaft als Bringerin der Träume.
Dann blieb lediglich noch übrig, eine von Galiagantes Kreditkarten mit einem Gummiband an der Handfläche zu befestigen.
Als die Arbeit getan war, warf Jane die Bindfadenrolle in ihre Schublade und hüpfte vom Hocker. Die Hand of Glory warf sie zusammen mit dem Stemmeisen, den Wildlederhandschuhen und der Taschenlampe in ihren Rucksack.
Sie hatte ihre Kleidung so gewählt, daß sie möglichst unauffällig aussah: schwarze hohe Schuhe, schwarze Denimjeans und Pucks Lederjacke. Ihr Rucksack war passenderweise von einem schmuddeligen Grau. Sie schlang ihn sich über die Schulter und zog eine Wollmütze über. Diese Aufmachung war nicht so ausgefallen, daß sie Aufmerksamkeit erregte; und sie war darin im Grunde so gut wie unsichtbar.
In den Teelöffel ihrer Mutter hatte sie ein Loch gebohrt und ihn sich an einer Schnur um den Hals gehängt. Jetzt zog sie ihn unter der Bluse hervor und küßte ihn, damit er ihr Glück brächte.
Zeit zum Aufbrechen.
Es war eine bitterkalte Nacht. Ein scharfer Wind ließ den Abfall in Kreisen umhertanzen. Niemand war in der Nähe. Sie eilte die leeren und schweigenden Straßen hinab, an Branstock, Pentecost und Lonazep vorüber, drückte sich kurz in Anowres Eingangshalle, um sich Wangen, Ohren und die Vorderseiten der Oberschenkel aufzuwärmen, wo der kalte Denimstoff sie stach, und trabte daraufhin rasch an Cadbury und Sewingshields, Lombard, Worm, Altaripa und Melvales vorbei. Gelegentlich sah sie einen eingemummelten Zwerg oder Nachtgaunt, dessen größte Sorge es war, möglichst schnell wieder nach drinnen zu kommen und der es ebenso eilig hatte wie sie selbst. Schließlich erreichte sie ihr Ziel.
Caer Gwydion.
Sie starrte an den strahlenden Glaswänden hinauf, der glatten schimmernden Oberfläche, die sich schier endlos in die Nacht hob, und einen Augenblick lang verlor sie den Mut. Es war eine uneinnehmbare Zitadelle. Wie klein und unbedeutend sie vor ihr war! Dann straffte sie die Schultern, drückte sich in einen Durchgang und ging um das Gebäude herum zur Rückseite.
Die Rückseite des Gebäudes war ein krasser Gegensatz zur Vorderseite, eine schmutzige Schlackensteinwand mit einer Laderampe, Mülltonnen und einem sanft kokelnden Verbrennungsofen. Es war, als wäre eine Verzauberung gebrochen, die über Caer Gwydion gelegen hatte, und es zeigte sich nun, wie es wirklich war. Jane zündete eine Zigarette an, wich in die Schatten zurück und beobachtete.
Die Zeit verstrich. Ein Oger, der eine Mülltonne hinter sich herschleifte, kam aus einem Lieferanteneingang. Er leerte die Tonne in den Verbrennungsofen und huschte wieder nach drinnen. Hinter ihm schwang die Tür zu.
Jane zündete eine weitere Zigarette an, um dem Hausmeister Zeit zu lassen, sich einer anderen Arbeit zuzuwenden. Sie rauchte sie langsam, genoß ihre Wärme und warf den Stummel mit Bedauern weg. Dann streifte sie die grauen Wildlederhandschuhe über und holte die Hand of Glory heraus. Sie hielt sie mit der einen Hand beim Handgelenk und hatte ein Einwegfeuerzeug in der anderen Hand. Sie ging zum Lieferanteneingang, stieß ihn auf und erblickte Fässer, Besen und Reinigungsutensilien. Aus dem Dämmerlicht zischte ihr ein schwarzes eisernes Ungeheuer von Ofen entgegen. »Hallo?« fragte sie. »Bin ich hier richtig, um wegen Arbeit nachzufragen?«
Niemand gab Antwort.
Jane ließ die Tür hinter sich zufallen. Ihr raste das Herz. Sie kämpfte den Drang nieder, sich davonzustehlen, und ging weiter in den Raum hinein. Drinnen war es warm, so daß Wangen und Ohrläppchen schmerzhaft brannten. Irgendwo murmelte ein Fernsehgerät. Vorn wartete mit geöffneten Türen ein Lastenaufzug auf sie. Sie stieg ein.
Dem Inhalt von Galiagantes Brieftasche nach zu schließen wohnte er im Penthouse. Jane schob die Hand und das Feuerzeug vorläufig in den Rucksack zurück, schloß die Türen und drückte auf den Knopf. Eine ausgelassene Hochstimmung erfüllte sie. Sie würde es schaffen! Das war brillant, besser als Drogen, besser als Sex, besser als alles, was sie je erlebt hatte. Alles wirkte übernatürlich klar und lebendig, wie
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