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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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gerade in kaltes flüssiges Glas getaucht. Es war ein phantastisches Hochgefühl.
    Sie ließ den Aufzug so hoch fahren, wie es nur ging.

    Die Wände glitten vorüber, Türen öffneten und schlossen sich wie breite Mäuler. Sie erhaschte kurze unzusammenhängende Blicke in die vorbeistreichenden Flure und Arbeitsbereiche. Gelegentlich hörte sie Stimmen - Gespräche, höhnisches Gelächter -, doch sie sah niemanden und zog keine Aufmerksamkeit auf sich. Sie kam sich wie unsichtbar vor.
    Schließlich blieb der Aufzug stehen. Sie trat in eine abgedunkelte Küche.
    Es herrschte völlige Stille.
    Jane hielt die Hand of Glory wie einen Schild vor sich und erforschte die angrenzenden Räume. Nach einer kurzen Erkundung war ihr klar, daß in der gesamten Etage Haushaltsarbeiten durchgeführt wurden und die Angestellten für die Nacht weggeschickt worden waren. Dennoch hielt sie das Feuerzeug bereit.
    Ein Privataufzug neben der Küche führte zweifelsohne zu ihrem Ziel. Aber eine merkwürdige Aura umgab ihn. Etwas Kaltes und Bedrohliches strahlte von den symbolischen Geierköpfen ab, die die Paneele seiner Bronzetüren zierten. Er war bestimmt an ein Alarmsystem angeschlossen. Sie mußte einen anderen Weg nach oben finden.
    Sie überlegte. Wo Speisen in einer gewissen Entfernung vom Speisezimmer zubereitet wurden, kam es entscheidend auf die Servierzeit an. Trüge man sie per Hand zum Lift und dann hinauf, wären sie bereits kalt, wenn sie den Tisch erreichten. Es mußte einen rascheren Transportweg geben. Einen Speisenaufzug.
    Sobald sie wußte, wonach sie zu suchen hatte, war das Finden keine große Sache. Der Speisenaufzug befand sich in der Küche gegenüber den Herden.
    Sie stieg hinein.
    Der Platz reichte gerade eben. Zunächst setzte sie den Rucksack hinein und zog dann die Knie ans Kinn. So gelang es ihr, sich hineinzuschlängeln. Die Hand of Glory stieß ihr gegen die Nase.
    Als sie die Türen zuschob, schloß sich die Dunkelheit wie eine Faust um sie. Sie sah nichts. Sie holte tief Atem, packte das Seil und zog sich Hand über Hand langsam hoch, damit die Seilrollen nicht quietschten.
    Der Speisenaufzug kroch zentimeterweise in die Dunkelheit hinauf.
    Es war ein langer Weg nach oben.
    Später sollte Jane erfahren, daß Galiagantes Wohnung vier Etagen einnahm. Die unterste Etage war für die Diener, die oberen drei waren für ihn selbst und einen gelegentlichen Gast. Aber in dem stickigen Speisenaufzug kam es Jane wie mindestens zwanzig Stockwerke vor. Die Fahrt währte scheinbar ewig. Obgleich sie versuchte, nicht daran zu denken, wuchs die Vorstellung in ihr, daß sie in einer Schachtel gefangen war, die durch den unendlichen Raum zwischen den Sternen dahinkroch.
    Ihr schmerzten allmählich die Schultern und dann auch die Arme.
    Schweißperlen rollten ihr von den Achselhöhlen an den Seiten herab. Ihre Bluse war völlig durchnäßt. Jane verfluchte sich dafür, daß sie vor dem Einsteigen Pucks Jacke nicht ausgezogen hatte. Sie verschmachtete darin. Sie kam in dem Ding vor Hitze fast um.
    Der Aufzug hatte eine Lederpolsterung, deren Noppen sich ihr in den Hintern gruben. Sie rutschte ein wenig hin und her, doch es half nichts. Hand über Hand glitt das Seil vorüber. Ihr verkrampfte sich der Magen, und ein Bein schlief ein. Es stach wie mit Nadeln. Sie hielt an, schlang sich das Seil um den Arm, um den Aufzug zu verankern, und versuchte, wieder ein wenig Leben hineinzumassieren. Die ganze Zeit über horchte sie auf Stimmen, auf Schritte, auf irgendwelche Bewegungen. Sie war jetzt weit hinaufgefahren. Wenn ihr das Seil wegrutschte, würde der Sturz sie gewiß umbringen.
    Ihre Handflächen waren verschwitzt. Sie wischte sich erst die eine, dann die andere an den Jeans ab, dann machte sie wieder weiter.
    Hinauf, hinauf, durch Dunkelheit.
    Schließlich tauchte oben ein Lichtspalt auf, sank herab auf Augenhöhe, auf Höhe der Füße. Sie verlangsamte ihr Ziehen, hörte ganz auf. Sie hielt den Atem an und lauschte.
    Jemand regte sich dort draußen.
    Ungeschickt wickelte sie sich das Seil ums Bein, so daß der Aufzug nicht hinabgleiten konnte, und hob die Hand of Glory. Jede Bewegung war quälend langsam, weil sie kein Geräusch machen durfte. Sie drückte das Feuerzeug aus der Hosentasche.
    Sie trat die Tür mit dem Fuß auf.
    Ein Zwerg in Galiagantes Hausuniform sah überrascht auf. »He!« rief er. »Was tust ...?« Sie berührte einen Docht mit dem Feuerzeug. Eine Flamme entstand.
    Die Augen des Zwergs fingen das

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