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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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euch angewendet werden.« Der Elfen-Anführer warf einen gleichgültigen Blick auf seine Armbanduhr.
    Die Scheinheiligkeit des Ganzen stählte Janes Entschlossenheit. Ihr Haß auf die hochstehenden Elfen loderte hell empor. Also glaubten sie, sie ließe sich von ihnen einschüchtern? Da konnten sie aber lange warten. Sie mochte schreckliche Angst haben, aber sie war kein Feigling. Hier stehe ich, dachte sie. Wie eine Eins.
    Mit einem Schrei gingen die Soldaten zum Angriff über.

    Der Zusammenprall verursachte ein wildes Durcheinander.
    Jedermann schob und kreischte und fluchte. Eine Ordnung konnte Jane nicht erkennen. Der Angriff war so brutal einfach wie der Angriff des Ozeans auf das Land. Aber der Mob sah ihm so fest entgegen wie die Berge der See. Kurz bevor die Soldaten die erste Reihe der Aufrührer erreichten, hob ihr Befehlshaber seinen Schlagstock und sprach ein Machtwort.
    Alle Straßenlampen explodierten. Der Platz wurde in eine rötliche, vom Feuerschein erhellte Dunkelheit getaucht.
    Die neuen Bedingungen begünstigten die Elfen, die im Nachtkampf ausgebildet waren und durch einen uralten Segen der Göttin so lange deutlich sehen konnten, wie der letzte silbrige Schimmer der Dame Mond am Himmel hing. Sie näherten sich mit blitzenden Schlagstöcken, und der Mob wich vor ihnen zurück. Aber die Soldaten waren so gierig darauf, ihre Schläge an den Mann zu bringen, daß sich die Linie rasch in einzelne Knoten der Gewalt auflöste und viel von dem Vorteil verlorenging.
    Jane wurde erst hierhin geschoben und dann dorthin. Sie sah, wie sich ein stämmiger Kerl auf einen Schild warf und der Soldat dahinter mit einem entsetzten Aufschrei und einem gebrochenen Arm umfiel. Die Menge bildete einen Wirbel um ihn herum, und er verschwand. Der Wirbel veränderte seine Lage, und Jane sah drei Elfen, die auf ihren Zwerg einprügelten. Man hatte ihm die Weste heruntergerissen. Der Körper lag blutig und halb nackt vor ihnen und leistete keinerlei Widerstand. Der Kopf wackelte lose auf dem Hals und zuckte bei jedem Schlag. Das Rückgrat war gebrochen. Jane tat einen Schritt nach vorn, und ihr wurde entgeistert klar, daß sie gerade einen Hilfeversuch unternehmen wollte.
    Dumm, dumm, dumm! wütete sie gegen sich selbst. Was zum Teufel tu ich hier? Das ist sinnlos. Der Zwerg ist tot. Ich kann nichts für ihn tun. Mach kehrt, laufe, fliehe!
    Wie eine Schlafwandlerin ging sie weiter.
    Ein Soldat tauchte vor ihr auf. Er hatte den Helm verloren, und das feine blonde Haar peitschte umher. Kampfeslust brannte auf seinem Gesicht. Er hob den Schlagstock gegen sie. Dann trat er falsch mit dem Fuß auf einen Pflasterstein, der vom Wein glitschig war. Er stolperte und fiel auf ein Knie.
    Im selben Augenblick sprang ihm ein Oger auf den Rücken. Mit gesenktem Kopf drückte er sich zwischen die Schulterblätter des Soldaten, und die krummen Beine umklammerten dessen Taille. Die knorrigen Händen zogen ruckartig das Kinn zurück. Es ertönte ein scharfes Knack . Der Elf schlug um sich, und die Kampfeslust wich ihm aus dem Gesicht. Sein Schlagstock fiel klappernd auf die Steine.
    Jane schnappte sich den Stock.
    Die Asche fiel dichter denn je. Bald wäre das Atmen unmöglich. Überall stank es nach brennendem Vinyl, Holz, Stoff und Plastik von den Gebäuden ringsum; der Gestank stach ihr in die Nase und legte sich ihr über den Gaumen. Jane wußte, daß dies der dunkelste Augenblick ihres Lebens sein sollte, aber unbegreiflicherweise war das nicht der Fall.
    Im Gegenteil: es machte Spaß.
    »Aus dem Weg! Aus dem Weg aus dem Weg aus dem Weg!« Der Schlagstock war aus solidem Metall und so lang wie sie selbst. An einer Seite hatte er ein kurzes Querstück, damit man ihn zur taktisch geschickten Kontrolle des Mobs einsetzen konnte. Jane faßte ihn ungeschickt am einen Ende und schwang ihn wie einen großen Beidhänder hin und her. Das verschaffte ihr eine Menge Platz. Sie bekam wieder Luft. »Scheißkerle!« kreischte sie. »Schwanzlutschende Elfen!«
    Ein Geräusch wie ein Seufzer, dann noch einmal und dann noch drei weitere Male. Es waren Geräusche, die sich durch ihre leise Schüchternheit vom allgemeinen Kampfgetöse abhoben. Gaskanister fielen klappernd auf die Pflastersteine. Sie explodierten zu Wolken von Tränengas.
    Jene, die das Gas erwischt hatte, wichen würgend zurück. Sie kämpften gegeneinander, hackten aufeinander ein, um zu entkommen. Aber ehe die Soldaten einen Vorteil aus der allgemeinen Unordnung hätten ziehen

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