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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Armen und Schultern auf irgendwelche Stufen aus Stein und Beton neben einem alten Industriekanal setzen mußte. Sie war völlig erschöpft.
    Der letzte Rest des Mobs flutete davon. Die Luft wurde kühl. Das Stimmengebrüll sank zu einem Gebrummel herab, das sich sporadisch aus verschiedenen Teilen der Stadt erhob, als wäre der Mob ein Ungeheuer, das an mehreren Stellen gleichzeitig existieren konnte. Sie starrte auf ihre Füße hinab, auf den Abfall - rostige Metallteile, Plastikphiolen für Crack, und Zigarettenstummel. Ihr schwirrte noch immer der Kopf.
    Der Mob hatte beim Vorüberkommen jegliche Lebenskraft aus den Straßen und Gebäuden herausgesaugt. In seinem Gefolge bekam Farbe Risse, sprang auf und setzte winzige Wölkchen rostiger Sporen frei. Asphalt wölbte sich, Stuck fiel brockenweise von Ziegel herab. Der Abfall wucherte im Rinnstein und tanzte auf dem öligen Wasser des Kanals auf und nieder. Mauern zerbröselten.
    Aus dem Innern der ausgeweideten Gebäude sproß mit nekromantischer Geschwindigkeit das Unkraut. Jane konnte zusehen, wie sich eine Ranke aus dem Riß in der Basis eines Betonpfeilers der Brücke herausschob und zu einem labyrinthischen Dornengewirr heranwuchs. Tief in dessen Herzen blühten Rosen, deren Öl wie verschüttete Milch irgendeine Spezies geflügelter Kobolde anzog, die nicht größer als Janes Faust waren.
    Unter Glöckchengeklingel schossen die Kobolde paarweise über den Kanal und zogen gleichermaßen winzige Gefangene an Stricken hinter sich her, die nicht dicker als Bindfäden waren. Kopfüber stürzten sie sich in das düstere Dickicht.
    Winzige Schreie durchstachen die Nacht.
    Als werdende Alchemikerin verstand Jane natürliche Vorgänge. Das Gleichgewicht war zerstört worden: es mußte wiederhergestellt werden. Aber sie mußte nicht dabei zusehen. Sie war wieder zu Atem gekommen. Es war Zeit zu gehen. Sie stand auf und ließ den Mikrowellenherd auf den Stufen zurück. Im Grunde genommen wollte sie das verdammte Ding nicht.
    Ein Schwall Erbrochenes spritzte auf die Straße. Sie tänzelte zurück, dennoch bekamen ihre Schuhe etwas ab.
    Drei hyänenköpfige Wesen beugten sich über die Brüstung einer Überführung. »He, paßt doch auf!« rief sie.
    Eines der Wesen, das, dem übel war, bemerkte sie anscheinend nicht einmal. Ein zweites machte sich über ihren Ekel lustig, indem es wie ein Esel schrie. Das dritte trat auf die Brüstung, öffnete den Reißverschluß der Hose und schüttelte den Schwanz. »Leck doch daran , Schätzchen!«
    »Pißköpfe!« rief sie.
    »Diesem Luder«, sagte der Schwanzschüttler kalt, »müssen wir mal eine Lektion erteilen!« Sein Freund sah sich bereits nach einem Weg hinab um. »Dort drüben!« schrie er. Sie ließen ihren betrunkenen Freund an der Brüstung zurück und rannten auf eine Treppe am anderen Ende der Überführung zu. Entsetzt drückte sich Jane in einen Torweg und entdeckte, daß dieser Weg der Eingang zu einer weniger sichtbaren Treppe zu der Straße hinauf war, die die Wesen gerade verlassen hatten.
    Oben angekommen blieb sie stehen, als zunächst ein Dutzend und dann hundert mißgestaltete Wesen heranstürmten. Ihre Quälgeister waren die Vorhut eines Arms des Mobs gewesen. Es war nicht die Gruppe, die sie verlassen hatte - sie erkannte niemanden wieder, und es waren Gesichter unter der Gruppe gewesen, an die sie sich erinnert hätte. Aber was machte das schon! Sie trat in die vorübereilende Menge.
    Wieder geborgen.

    Jane war noch nicht weit gelaufen, da explodierte vor ihr etwas mit einem gewaltigen Brüllen. Die Straße öffnete sich jäh auf einen fünfeckigen Platz. Wie Gasmoleküle, die unter Druck standen und freigesetzt wurden, legte der Mob an Geschwindigkeit zu und zerstreute sich, um den neugewonnenen Raum zu füllen. Mit einem Schauder der Furcht wurde Jane klar, wo sie waren.
    Dies war der Oberon-Platz. An vier Seiten gab es Tavernen, Plattengeschäfte, Eisenwarenhandlungen, Herrenausstatter und dergleichen. An der fünften Seite ragte die massive Obsidianfront des verrufensten Gefängnisses der ganzen Großen Grauen Stadt über den Platz wie der massive Bug eines unheimlichen schwarzen Frachtschiffs.
    Der Lange Tumulus.
    Als sich der Mob jetzt mit dem Gebäude selbst konfrontiert sah, widerstrebte es ihm merkwürdigerweise, einen Angriff darauf zu unternehmen. An den anderen vier Seiten spalteten sich kleinere Gruppen ab, die dem offensichtlichen Ziel keine Beachtung schenkten. Die Frontseiten der

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