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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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es schwarze Flügel? - in ein Grauen ein. Dann hob sich das Entsetzen und hockte sich auf der Brücke nieder. Weitere dunkle Gestalten fielen kreischend von den Kabeln herab. Wie alptraumhafte Tauben kämpften sie mit der ersten Gestalt um etwas, das diese im Schnabel hielt.
    Zwei der Flieger stießen zusammen, und der Happen fiel auf die Straße hinab. Er schlug mit einem Übelkeit erregenden fleischigen Klatschen auf. »Bäh!« rief Jane unwillkürlich.
    »Nicht hinsehen!« befahl Puck. Aber natürlich sah sie hin. Es war der arm- und beinlose Rumpf eines Zwergs. Sie hatte in dieser Nacht weitaus entsetzlichere Dinge gesehen, aber irgendwie berührte dieses sie mehr. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.
    »Bring mich rein«, flehte sie.
    Sie stiegen eine zerbröselnde Betonstufe hinab. Puck drückte eine zersplitterte Tür auf. Durch das Loch, wo einmal der Türknauf gewesen war, hatte man eine Schlinge gezogen.
    Die Tür öffnete sich und enthüllte eine glänzende Pracht.
    Das Innere war so elegant wie in einer Parfümwerbung. Die Fußböden waren ein Schachbrett aus glänzendem Marmor. Schlanke Säulen aus Halbedelstein stützten ein Dach, das zu weit oben war, als daß man es hätte erkennen können. Schneeweiße Eulen flatterten in der Luft, tauchten auf und verschwanden wieder, ganz zufällig. Seidenvorhänge schwebten vor den Wänden. Darunter lümmelten sich gottgleiche Jugendliche auf riesengroßen Kissen. Im Hintergrund lief ein Band mit eintöniger Synthesizermusik.
    Eine Woge der Benommenheit überspülte Jane. Sie legte eine Hand auf eine Porphyrsäule, um nicht hinzufallen. Flocken trockener Farbe knisterten unter den Fingerspitzen. Der Marmorfußboden sackte ihr unter den Füßen weg. Er fühlte sich etwas schwammig an.
    »Alles nur schöner Schein.« Puck ließ die Tür hinter ihnen zuschwingen. »Wir fangen uns so was wie ’nen ansteckenden Rausch ein.« Einer der goldenen Träumer kam gelangweilt auf sie zu. Puck hielt ihm eine Münze entgegen, doch der Träumer winkte sie mit breitem Grinsen beiseite. »Alles frei heut nacht.« Er wies auf eine Reihe weißer Teller mit Pulverkegel oder Harzstangen darauf. »Nehmt, soviel ihr wollt. Es ist genug für alle da, und alles nur vom Feinsten.« Jane bekam einen widerlichen Hauch von Verwesungsgestank in die Nase. »Unser Gastgeber zahlt für alles.«
    »Überlaß Tom den Versuch, auf billige Weise den Zehent zu finanzieren.«
    »Er ist die Großzügigkeit in Person«, stimmte der Jugendliche zu.
    »Er ist ein korruptes Schwein.«
    Mit einem Schulterzucken und der Andeutung einer Verbeugung kehrte der Träumer zu seiner Wasserpfeife zurück. Hoch über ihm ermöglichte ein vergittertes Bogenfenster einen Blick auf einen mittsommerlichen Nachmittag, auf blühende Ranken und Singvögel. Ein Windhauch trug seinen Duft zu Jane hinüber, und sie hielt den Atem an. Es war der Garten ihrer Mutter! Sie hätte diesen Duft unter Millionen anderer Düfte wiedererkannt.
    Puck nahm Janes Kopf in die Hände und zwang sie zum Wegschauen. »Laß dich nicht zu sehr darauf ein«, sagte er. »Ich hab mal ein Mädchen gekannt, das hat sich auf diesen Garten fixiert. Immer wieder ist sie zurückgekehrt und hat versucht, einen Weg hinein zu finden. Sie war ebenso schlimm dran wie ein Kokser auf der Suche nach Krümeln. Sie konnte einfach nicht mehr aufhören. Sie war überzeugt davon, daß da eine Tür sein mußte.«
    »Was ist ihr zugestoßen?«
    »Nichts ist ihr zugestoßen.« Pucks Gesicht war steinern. »Sie ist hier irgendwo.«
    Jane zitterte. »Ich hab noch nie jemanden gesehen, der wirklich auf dem Gift ist. Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.«
    »Dieser Müll? Das ist nicht das Gift. Das ist lediglich dein alltägliches Adernfutter. Vorzimmer-Stoff. Hier gibt’s nix außer Träumen und hübschen Bildchen.«
    »Oh«, sagte Jane. Dann: »Du scheinst eine Menge über dieses Zeug zu wissen.«
    »Nun, na ja, ich habe ein paar Jugendsünden begangen.« Puck sah sich angespannt um. »Ich frag mich, ob es hier irgendwo einen Platz gibt, der sauber genug ist, daß wir uns niederlassen können.«
    Ein Vorhang in einem maurischen Bogengang am anderen Ende des Raums wurde aufgerissen. Eine Gestalt in sonnenheller Kleidung trat hindurch.
    »Mein alter Studi!« Tom grinste wie wahnsinnig. »Ich habe auf dich gewartet.«

    Da wußte Jane, wie es war, die Geschichte eines anderen mitten in deren Höhepunkt zu betreten. Keines der nun folgenden Ereignisse ergab für

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