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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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stieg das Land an. Jane blickte hinauf zu den fernen geneigten Bäumen und sah keinen Horizont. Sie folgte ihnen mit dem Blick immer höher hinauf, bis die Bäume schließlich auf der anderen Seite wieder herabkamen. Sie gingen durch eine riesige Röhre oder einen riesigen Tunnel. Es war wie in einer Arterie, die vom Herzen eines unvorstellbar großen Körpers wegführt und sich dabei schwindelerregend dreht und windet. Sie waren von chimärenhaften halbmenschlichen Bäumen umgeben.
    »Zehn, fünfzehn Meilen die Straße hinab sahen wir den Lotus bei einem Imbiß. Wir sind rübergefahren, um ein paar Burger mitzunehmen. Und da waren sie wieder. Wir haben ein Gespräch angefangen. Dann ist Jerry-D mit der Fahrerin des Lotus ab. Ihre Freundin ist mit mir weg.«
    »Das war nicht unsere Welt, oder?« Jane brachte diese Frage nur mühsam heraus. Wenn der Baldwynn sprach, waren seine Worte zwingend und überzeugend; sie folgte ihnen mühelos. Ansonsten jedoch fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. »Nicht die obere Welt, meine ich. Es muß die untere Welt gewesen sein.«
    »Oh, du glaubst doch etwa nicht, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Welten besteht? Wie dem auch sei - da rieb sich also eine Blondine in rosafarbener Hose an mir. Ich hatte das Gaspedal bis zum Boden durchgedrückt, und die Blondine hatte mir die Zunge ins Ohr geschoben. Ich schob ihr das Top hoch und drückte ihr die Brüste. Die schimmernde Luft war geladen mit Offenbarung. Little Richard sang ›Tutti Frutti‹ im Radio, und irgendwie kam es mir bedeutsam vor, daß das, was ich hörte, elektromagnetisch kodiert und auf modulierten Funkwellen übertragen worden war, vom Radio als Geräusch rekonstruiert und lediglich irgendwo innerhalb der dunklen Bereiche meines Kopfs als Musik reinterpretiert wurde. Da spürte ich, daß die Welt eine Illusion war, und zwar eine ziemlich schäbige. Sie war nichts weiter als ein Bild, das auf hauchdünne Membranen projiziert wurde. Wenn ich ihnen nur auf die richtige Weise einen Stoß versetzte, könnte ich völlig aus der Welt hinaustreten.
    Ich knöpfte der Blondine die Shorts auf. Sie wand sich ein bißchen, um mir dabei zu helfen. Ich schlüpfte ihr mit der Hand unters Höschen. Ich dachte, alles sei Information, da merkte ich, daß ich einen erigierten Penis umklammerte.
    Ich fuhr mit dem Kopf herum. Die Blondine grinste mir wild ins Gesicht. Unwillkürlich schloß sich meine Hand fester um ihren Schwanz. Ihre Hand schloß sich um meinen. Die beiden Hände hätten ebensogut dieselbe Hand sein können. Wir hätten eine Person in zwei Personen sein können. Der Wagen machte gerade so etwa hundert Meilen pro Stunde. Ich sah nicht mal hin, wo es langging. Es war mir völlig egal.
    In diesem Augenblick erlangte ich den Zustand der Erleuchtung.«
    Etwas drehte sich unter ihr. Jane stolperte und sah beim Umwenden, daß eine Hand, die aus den Wurzeln eines Baums in der Nähe gesprossen war, sie am Schuh festhielt.
    Sie keuchte und riß den Fuß weg.
    Der Schuh löste sich. Die Hand stopfte ihn in ein Maul, das sich im Stamm öffnete, und nagte daran. Jane bemühte sich nicht, den Schuh zurückzuholen, sondern schritt humpelnd hinter dem unerschütterlichen Baldwynn her. »Ich habe mein Bestes getan, um dich am Herkommen zu hindern«, bemerkte er. »Das Spiralschloß ist insbesondere dann gefährlich, wenn man zu früh eintrifft.«
    »Das versteh ich nicht!« rief sie. »Was bedeutet Ihre Geschichte? Sagen Sie mir, was sie zu bedeuten hat!«
    »Aber so etwas kann nur die Göttin erklären«, sagte der Baldwynn ehrlich verwirrt. »Wer bin ich, um für die Göttin zu sprechen? Ich bin nichts weiter als ihr Gefährte - und weit davon entfernt, ihr einziger Gefährte zu sein, kann ich dir versichern. Du kannst ihr jede Fragen stellen, wenn du ihr begegnest.«
    »Ich habe geglaubt, es gebe gar keine Göttin. Ich habe sie für eine Metapher gehalten.«
    »Ganz bestimmt existiert die Göttin. Ich bringe dich jetzt zu ihr.«
    Ein Zweig aus kalten Babyfingern streifte Janes Wange. Sie wich zitternd zurück. Aber der Pfad wurde schmaler, und die Bäume und Büsche rückten enger heran. Dunkle Gestalten bedrängten sie, Arme und Schultern rempelten sie an. Etwas stieß eine Wolke Dieselabgase aus, und dann ergoß sich die Menge, den Baldwynn und sie eingeschlossen, eine Reihe von Stufen hinab. Hilflos wurde sie mitgetragen.
    Die Leute ringsumher schwiegen, sprachen kein Wort. Mit gesenkten Köpfen eilten sie

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