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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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derselben kreisförmigen Genkarte. Auf jeder Kopie war diejenige Sequenz markiert, die herausgeschnitten und wieder eingesetzt, geprüft und verworfen worden war. Trotz der Hunderte von Kopien, die dort lagen, war nur ein Bruchteil der Möglichkeiten durchgearbeitet worden. »Eine Menge zu tun«, sagte sie geistlos.
    »Alles negativ.« Ihre Mutter zog den Mund an einer Seite hoch. »Manchmal wünscht man sich, man könnte die kleinen Mistkerle am Kragen packen und durchschütteln , so abgestumpft sind sie. Am liebsten möchte ich sie allesamt in den Autoklav werfen und mit irgendeiner anderen Arbeit von vorn anfangen. Barkeeper, vielleicht, oder Gebrauchtwagenverkäufer.«
    Plötzlich kam es Jane so vor, als rede ihre Mutter gar nicht von Gensequenzierung, sondern von etwas Größerem und Persönlicherem. Ihre Unruhe mußte sich gezeigt haben, denn Sylvia umarmte sie flüchtig. »Oh, mach doch kein solches Gesicht - es ist nur ein vorübergehender Wunschtraum. Diese Grillen bekomme ich immer wieder, und sie gehen früher oder später fast stets von selbst weg.« Sie ließ Jane los. »Ist ja wirklich nicht ihre Schuld, stimmt’s?«
    »Nein.«
    »Es liegt halt in ihrer Natur.«
    »Ja.«
    Sylvia drückte ihre Zigarette aus. Aus einer gewissen Unruhe schloß Jane, daß sie unbedingt ans Elektronenmikroskop zurückkehren wollte. »Nun, mein Kind, es war schön, daß du hier warst. Aber gerade im Augenblick habe ich einiges zu tun. Vielen Dank für deinen Besuch, Schatz.«
    »Ja«, sagte Jane. »Okay, sicher. Du paßt auf dich auf, hm?«
    Sie wollte sich abwenden.
    »Wart mal!« sagte ihre Mutter. »Du hast da was.« Sie streckte die Hand aus und pflückte Jane eine kleine schwarze Kreatur vom Kragen, einem Tausendfüßler sehr ähnlich. Die Kreatur drehte und wand sich wütend auf der Handfläche und stach immer wieder hilflos zu.
    Ganz kurz breitete sie schwarze Flügel aus. Jane zuckte zusammen. Sie blickte näher hin und sah, daß die Milbe Nr. 7332 war, der Drache Melanchthon aus der Reihe der Mechesiach, der Reihe der Moloch.
    »Den brauchst du wohl nicht mehr«, sagte ihre Mutter. Wie beiläufig zerdrückte sie ihn zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Entgeistert sah Jane ihrer Mutter direkt in die Augen und erblickte darin etwas Weites und Fremdartiges, das lachte. Da erkannte sie, daß Sylvia lediglich eine Maske für etwas unmöglich Gewaltiges war, und in diesem Augenblick erlebte sie ein Entsetzen, das weit über das hinausging, was sie sich als möglich vorgestellt hatte. Dann packte sie eine Hand am Kragen, hob sie hoch und setzte sie anderswo wieder ab.

24

    An einem kalten Februarabend wurde Jane aus der Anstalt entlassen. Ihre Mutter nahm sich an diesem Tag frei und fuhr sie in einem alten Subaru mit defekter Heizung nach Hause. Den ganzen Weg über rauchten sie beide. Sie redeten nicht viel.
    Jane erhielt eine Stelle als Verkäuferin im Einkaufszentrum. Sie nahm Abendkurse, und innerhalb eines Jahres hatte sie die Zugangsberechtigung zur Highschool. Sie las alles über Chemie, was ihr in die Hände fiel. Im folgenden September wurde sie am örtlichen College angenommen. Sie sparte Geld, weil sie zwischen College und dem Haus ihrer Mutter pendelte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre überflüssigen Pfunde verloren, mit Tennisspielen begonnen und sich halbwegs gut in Form gebracht.
    Es war nicht leicht. Es gab Tage, da hatte sie Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen, weil die Aussichten, je ein normales Leben zu führen, so trübe waren. Oftmals hatte sie Alpträume. Darin stand sie wieder vor dem Schwarzen Stein und verlangte eine Bestrafung. Feindliche Intelligenzen drängten sich kichernd in den Schatten, und diesmal war ihr die Bedeutung des furchtbaren Schweigens der Göttin klar. Bei Tagesanbruch jedoch erinnerte sie sich an den Ausdruck auf dem Gesicht der Göttin in jenem Augenblick ihrer letzten Begegnung, kurz bevor sie sich heil und gesund in ihrer eigenen Welt wiedergefunden hatte. Und sie wußte, es war Liebe gewesen.
    Da war es sicher, daß sie nicht bestraft worden war.
    Innerhalb von zwei Jahren gelang es ihr, alles in sich aufzunehmen, was die Fakultät ihr beibringen konnte. Nach einer langen Konferenz im späten Januar führte Dr. Sarnoff wegen ihr lange Telefongespräche. Im April hatte er ein Arbeitsstipendium am Carnegie Mellon herausgeholt. Dorthin hatte sie die ganze Zeit schon wirklich hingehen wollen. Man gab eine kleine Party für Jane und trank rosafarbenen New York

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