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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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nicht häufig fern; da ging es meist um Elfen und Geld, und nur gelegentlich gab es zur Abwechslung oder aus gegebenem Anlaß einen Zwerg als Beigabe. Die Shows hätten aus einem anderen Universum kommen können, einem Universum, wo niemand je Körpergeruch oder krumme Zähne oder zerzaustes Haar hatte. Sie hatten nicht viel mit ihrer eigenen Erfahrung gemein. »Nun«, sagte sie unbeholfen. »Dann geh ich wohl mal jetzt.«
    »Nein, bleib!« rief Gwen. »Es ist mein Augenblick; wir möchten ihn gern mit dir gemeinsam genießen, nicht wahr, Peter?«
    »Ich möchte alles, was du willst. Das weißt du.«
    »Siehst du? Oh, ich glaube, es ist noch genügend Zeit, um wieder bessere Laune zu bekommen. Peter, wo hast du die Pfeife hingelegt?«
    »Auf den Kleiderschrank.«
    Gwen holte eine langstielige Pfeife mit einem stirnrunzelnden Meerschaum-Kopf herunter und warf einen Klumpen von etwas Schwarzem hinein. »Hasch«, erklärte sie. Sie setzte sich zwischen Peter und Jane auf die Bettkante, zündete ein Streichholz an und inhalierte, wobei sie die Flamme über das Haschisch zog. Ohne zu fragen reichte sie die Pfeife an Jane weiter.
    Die Spitze des Stiels war noch immer feucht von Gwens Lippen. Zaghaft steckte Jane die Spitze in den Mund. Sie inhalierte tief und füllte die Lungen mit dem rauhen, kratzenden Rauch. Sie verschluckte sich und hustete, stieß Rauchwolke um Rauchwolke aus, eine große Menge füllte bereits das Zimmer, und sie mußte immer weiterhusten. Sie hoffte inständig, daß sie nicht das Gesicht verlieren würde, indem sie die Pfeife fallenließ.
    Peter lachte. »Whoa! Drin behalten, drin behalten!«
    Aber Gwen nahm ihr die Pfeife weg und klopfte ihr auf den Rücken. »Na, na«, sagte sie beruhigend. »Falschen Abgang genommen, hm? Das nächstemal zieh nicht soviel rein, dann wird’s klappen.«
    »Ja.« Das Wort summte und hallte in Janes Ohren, vibrierte tief in ihrem Schädel, wo es nichts gab außer Funken und wirbelndem Grau. Einen Augenblick lang hatte sie keine Ahnung, wo sie war oder was sie tat, und um das nicht zu zeigen, sagte sie erneut »Ja«, obgleich sie sich nicht ganz klar darüber war, wozu sie ihre Zustimmung gab.
    »Da ist es!« Gwen sprang auf und drehte den Ton am Fernseher an.

    Hinterher war Jane außerstande, voneinander zu trennen, was auf dem Bildschirm und was in ihrem Kopf geschehen war. Es war ein Dokumentarfilm über Gwenhidwy, dessen war sie sich gewiß, mit vielen Zeitlupenaufnahmen des langen grünen Haars, das herumwirbelte, wenn sie den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung drehte, wie ein flüchtiger Planetenring um ihr Lächeln. Da sie so high war, brachte sie es nicht fertig, der Geschichte zu folgen. Die Musik schwoll an und ab - oder war das bloß Janes Wahrnehmung? Höhepunkt war ein dämonisches Synthesizer-Gekreisch, Tiefpunkt ein Barock-Spinett.
    Ein Kommentar wurde gesprochen.
    »Eine Göttin ? Wahnsinn!« rief Gwen. Peter kam aus dem Bad. Er war frisch angekleidet und sah zehnmal gesünder aus als zuvor. Er setzte sich neben Gwen und legte ihr den Kopf an die Schulter. Abwesend streichelte sie ihm das Haar.
    Jane sah hin und her zwischen der Gwen auf dem Bildschirm und der Gwen auf dem Bett und konnte nicht entscheiden, wer sie mehr beeindruckte. Die Fernseh-Gwen war sinnlicher, schlanker, hatte schärfere Wangenknochen und jene Art glänzender Schönheit, die Video-Technologie zur Vollkommenheit brachte. Aber die wirkliche Gwen war um so vieles wärmer, so vital und spontan, so ... wirklich.
    Peter starrte in hoffnungslosem Verlangen auf den Bildschirm. Jane versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn es einen Jungen gäbe, der sie anschmachten würde. Es mußte ein seltsames Gefühl sein.
    Gwens feuchte Lippen öffneten sich, und genau in dem Augenblick wurde über ihr Gesicht ein Film der Weidenkönigin eingeblendet, die sich in den Flammen drehte und wand. Jane vergaß völlig ihre Manieren, wandte sich an Gwen und fragte: »Wie hältst du das aus?«
    Gwen lächelte, als besäße sie irgendein großes Geheimnis. »Ich habe Peter«, sagte sie. »Seid jetzt still, das ist der beste Teil.«
    Gegen Ende der Show mußte Jane etwas gesagt haben, denn Gwen sah äußerst erfreut aus. »Oh, überschlagen wir uns nicht«, sagte sie. Fußgetrappel dröhnte im Treppenhaus, und sie warf die Tür auf. »Ah, prima ! Die Pizza ist da.«
    Es war spät, als Jane schließlich die Stufen hinabstolperte, noch immer high und ein wenig benommen. Ihre Kehle war wie

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