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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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sprechen ...«, begann Stinch.
    »... da kommt er«, beendete Trotter für ihn.
    Wenn sie nicht logen und sie Ratsnickles Blick begegnete, wäre sie ertappt. Also eilte Jane, ohne hinzusehen, um einen Haufen Partygäste in der Nähe herum. Sie benutzte sie als Deckung und floh.
    Sekunden später lief sie Hebog über den Weg. Er steckte mit einer Bande ungemütlich aufgetakelter Zwerge zusammen, die bei ihrem Näherkommen ärgerlich aufsahen und sich zerstreuten. Er wurde rot und wirkte abwesend. »Hallo?« fragte sie. »Stimmt was nicht?«
    Er ging nicht auf die Frage ein. »Hast du Salome gesehen?« fragte er und wartete nicht auf die Antwort. »Spielt keine Rolle. Sie wird mich sowieso nicht sprechen wollen. Nicht nach dem, was ich ihr angetan habe.«
    »Was hast du ihr angetan?«
    Er ballte die Faust. »Spielt keine Rolle.«
    »Okay.«
    »Ich habe gesagt, es spielt keine Rolle.«
    »Okay, okay! Ich habe gesagt okay, gut?«
    »Nun, schön. Wenn du sie siehst, sag ihr, ich habe sie gesucht.« Er drehte sich um und stapfte davon.
    Jane starrte ihm noch immer nach, da berührte sie eine Hand am Ellbogen. Sie fuhr herum. Es war der bleiche Mann. Eine Zigarette baumelte ihm aus dem Mund. In einer Hand hielt er einen übergroßen Humpen Bier.
    In seiner kurzen Hose sah der bleiche Mann erschreckend fehl am Platz aus. Die Knie waren knubbelig und weiß wie ein Fischbauch; das Sonnenlicht schien sie nur ungern berühren zu wollen. »Ich habe deinen Antrag auf ein Stipendium bei der Schulsekretärin eingereicht«, sagte er. »Es wird nichts bringen.«
    »Was?« fragte sie verständnislos.
    Er nahm sie beim Arm und spazierte mit ihr auf die schattige Seite der Taverne zu. Weißgekleidete Kellner schossen durch die Türen, Tabletts in Händen, die eine Dampfwolke nach sich zogen. »Wieviel Grammatik hast du?« fragte er.
    Jane schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
    »Sie ist die Königin der Wissenschaften«, sagte er gereizt. Er sprach um seine Zigarette herum. »Du solltest wirklich - nun, schon gut. Ich will es so ausdrücken: In den Formen des Lebens und der Beziehungen gibt es eine Logik, und diese Logik ist im Stoff der Existenz eingebettet. Der Liebende wacht nicht eines Morgens mit der Überzeugung auf, er wäre lieber ein Ingenieur. Die Musikerin läßt nicht ohne Bedauern ihr Keyboard im Stich. Der Magnat gibt seinen Reichtum nicht auf. Oder wenn er es tut, wird er herausfinden, daß es leichter ist, gleich alles aufzugeben, sich eine Höhle in den Bergen zu suchen und Philosoph zu werden, anstatt nur seinen Lebensstil herabzuschrauben. Verstehst du? Wir alle sind lebende Geschichten, die uns auf irgendeiner tiefen Ebene Befriedigung verschaffen. Wenn wir unglücklich mit unseren Geschichten sind, reicht das nicht aus, um uns davon zu befreien. Wir müssen andere Geschichten finden, die ganz natürlich aus denen herausfließen, die wir gelebt haben.«
    »Also wollen Sie sagen ... daß ich in einer Geschichte lebe, worin ich keine finanzielle Unterstützung erhalte? Ist es das?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es liegt nicht an dir. Die Sekretärin lebt eine Geschichte, worin sie dir keine finanzielle Unterstützung gewährt. Das ist ein feiner Unterschied, aber ein entscheidender. Sie verschafft dir einen Ausweg.«
    »Und der wäre?«
    »Du mußt dich selbst durch ihre Augen betrachten. Du bist eine Unruhestifterin, eine langsame Schülerin, jemand mit einem ›Potential‹ - was das auch immer sein mag -, eine faule Nuß, die sich niemals Mühe geben wird, die ihre Studien vernachlässigt und an der ein Stipendium verschwendet wäre.«
    »Aber so bin ich nicht!«
    »Was spielt das für eine Rolle? In ihrer Geschichte bist du so, und in ihrer Geschichte ändern sich solche wie du selten. Gelegentlich jedoch kommt es vor. Deine niedrigen Qualitäten sind auf niedrige Zwecke ausgerichtet. Strawwe war früher genauso wie du, ehe er seine Freunde verraten hat.«
    »Was? Das täte ich niemals!«
    Der bleiche Mann rauchte seine Zigarette bis zum Filter herunter. An der Glut zündete er eine neue an und aß den Stummel. »Du mußt die Alternativen abwägen. Deine früheren Freunde werden dich verachten und vielleicht sogar verprügeln. Du wirst keine Selbstachtung mehr haben. Auf der anderen Seite erhalten Leute, die du magst, keine Stipendien. Du kannst deine eigene Geschichte behalten, oder du kannst ein Förderstipendium in Alchemie bekommen. Aber nicht beides.
    Denk drüber nach!«
    Nachdem er

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