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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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hinausgegangen, und sie hat so heftig getanzt, daß ihr die Füße aufgesprungen sind. Sie wollte nicht aufhören. Ich habe sie angefleht, und sie hat bloß gelacht. Ich hab nicht mithalten können. Die Knie haben unter mir nachgegeben, ich bin beinahe gestorben. Es war, als hätte ihr jemand fünfzigtausend Volt direkt das Rückgrat hinaufgejagt. Sie hat weitergetanzt, bis ihre Schuhe auseinander gefallen sind. Das ist alles, wofür sie lebt.«
    »Entschuldigen Sie.« Der Fernsehmacher kam auf Jane zu. »Gestatten Sie mir, mich vorzustellen. Ich bin Avistaro. Und Sie sind ...?«
    »Wer, ich? Ich bin niemand. Nur eine Freundin von Peter.« Avistaro wartete höflich. »Jane«, sagte sie schließlich. »Jane Alderberry.«
    »Aha.« Er blickte auf seinen Klemmblock. »Sie gehören nicht in diese Aufnahme, wissen Sie, Jane. Nein, nein, ich bitte Sie, nicht zu gehen, noch nicht. Aber sie sollten sich darauf einstellen, daß dieses Gespräch vielleicht unterbrochen wird.« Er lächelte falsch.
    »Ich habe mit Gwen gesprochen«, sagte Jane ruhig, nachdem Avistaro sich abgewandt hatte. »Sie hat mir gesagt, du wüßtest alles über sie und diese anderen Kerle.«
    »Ist wohl der Fall.«
    »O Peter. Wie schrecklich für dich!«
    »Für Gwen ist es schlimmer. Sie wird sterben, und ich verliere bloß - nun, mir steht es nicht zu, sie zu kritisieren, verstehst du?«
    »Du bist ihr gegenüber so nachsichtig.«
    »Sie ist mein ein und alles«, sagte Peter einfach. Ein sehnsüchtiger, verträumter Schmerz stahl sich in seine Stimme. »In meinen Augen ist sie wie die Sonne, und ich bin wie der Mond. Sie ist so prallvoll mit Leben, daß man geblendet wird, wenn man sie ansieht. Ohne sie bin ich nichts. Was ich auch immer bin, es ist lediglich ein matter Abglanz ihrer Pracht.«
    »Oh, das ist super!« sagte der Fernsehmacher. »Hast du etwas dagegen, wenn wir das benutzen?« Er wandte sich an Jane. »Jetzt muß ich Sie ersuchen zu gehen, fürchte ich. Sie sind doch hoffentlich nicht böse?« Er wandte sich ab, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Peter lächelte traurig und hob die Schultern.

    Jane wäre am liebsten zur Taverne zurückgegangen. Sie hätte gern ihr Glas Wein geleert und noch eines getrunken. Sie hielt noch immer nicht viel von dem Geschmack, aber daran würde sie sich bestimmt gewöhnen. Doch die hin- und herströmenden feiernden Menschen schoben sie immer wieder von ihrem Ziel weg. Vor ihr brach unter anmutigem Gelächter eine Gruppe Elfen auf; ein Vorhang teilte sich, und die Schulsekretärin war zu sehen.
    Die Sekretärin trug eine mit Straß besetzte bunte Brille. Sie hatte einen Körper wie ein Stock und einen weißen Haarschopf, mit dem sie aussah wie ein Gänseblümchen, das seine Samen ausstreuen wollte. Neben den Schulterblättern sprossen zwei braune Chitinstümpfe, die traurigen Überreste von etwas, das in ihrer Jugend Flügel gewesen sein mußten. Strawwe stand hinter ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Jane drückte sich weg, mußte das Paar jedoch unentwegt ansehen. Sie begegneten ihrem Blick, ohne dabei zu blinzeln. Blicke krallten sich ineinander. Jane entfernte sich von den beiden, die beiden entfernten sich von ihr. Dann schob sich die Menge dazwischen und verbarg sie voreinander.
    Ein jähes Entsetzen packte Jane. Sie war von Feinden umgeben, zappelte in einem sich immer enger zusammenziehenden Netz von heimtückischen Plänen und Mächten, deren Natur und Ursprung ihr verborgen waren. Sie wäre wahnsinnig, wenn sie bliebe. Sie zitterte, wollte ausbrechen und loslaufen, da verschob sich die Menge erneut, und der abrupte und unerwartete Anblick einer Freundin brachte sie wieder zur Vernunft.
    Allein in der Mitte einer offenen Rasenfläche drehte sich Salome immer und immer wieder um die eigene Achse. Sie tanzte leicht, achtlos; möglicherweise war sie sich nicht einmal bewußt, daß sie es tat. Jane ging zu ihr hin und berührte sie an der Schulter.
    »Hebog sucht dich.«
    »Wirklich?« fragte Salome. »Wirklich? Sucht er mich wirklich?« Sie sah so glücklich aus, daß Jane fast erwartete, sie würde sich vom Boden erheben und davonschweben.
    »Hast du was genommen?«
    »Hm? Oh, mach dich nicht lächerlich.«
    »Was ist dann los mit dir?«
    »Ich bin einfach guter Laune. Hoffentlich ist nichts daran auszusetzen, guter Laune zu sein.«
    »Es sieht dir gar nicht ähnlich.«
    »Mein liebes junges unschuldiges Mädchen«, sagte Salome erhaben. »Du weißt, wie gern ich herumhänge und quatsche, aber ich

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