Die Tochter des stählernen Drachen
Rasens errichtet.«
»Das Ding, das aussieht wie ein hölzerner Hochzeitskuchen, meinst du?«
Falcone lächelte auf eine Weise, die andeutete, daß das Freudenfeuer eine Kleinigkeit war. »Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack für Kleider«, sagte er. »Haben Sie es selbst gemacht?«
»Nö. Ich hab’s bei Eulenspiegel unten im Einkaufszentrum geklaut.«
»Du wirst uns entschuldigen«, sagte Gwen. Sie faßte Jane bei der Hand und brachte sie so rasch weg, daß sie ihr fast den Arm ausgekugelt hätte. Der Barbecue-Chef, der höflich in der Nähe gewartet hatte, stellte sich wieder an den Grill.
Gwen führte Jane zu einer Bank im Schatten der Taverne. Ihre Augen blitzten. »Also gut. Was ist los?« Sie wartete und sagte dann mit sanfterer Stimme: »Du kannst es mir sagen. Gleich, was es ist.« Jane schüttelte den Kopf, und Gwen nahm ihre beiden Hände in die eigenen. »Nichts ist so schlimm. Sag schon!«
»Es ist wegen dir und ... Peter.«
»Aha.«
»Ich verstehe nicht, wie du ...« Sie kämpfte mit den Tränen »... mit anderen Kerlen kannst. Ich habe gedacht, daß du und Peter ...« Da übermannten sie die Tränen, und es dauerte eine Weile, ehe sie herausbrachte: »Ich habe zu solchen wie dir aufgeblickt! Ich habe dich für vollkommen gehalten!«
Eine lange Zeit sprach Gwen kein Wort. Als sie es schließlich tat, war ihre Miene trübsinnig. So ernst hatte Jane sie noch nie gesehen. »Jane, du hast nicht das Recht , um eine Erklärung zu bitten. Siehst du das ein? Du hast es nicht verdient. Aber weil du mir teuer bist und weil ich dich liebe, werde ich dir dennoch eine Erklärung geben. Aber ich werde es dir nur einmal sagen. Verstehst du?«
Schniefend nickte sie.
»Ich habe einen Vertrag abgeschlossen. Ich werde an Samhain sterben. Als Gegenleistung kann ich ein Leben führen, das so erfüllt und vollständig ist wie ein Leben, das alle anderen im Jahr zuvor gelebt haben. Ich lebe dieses Leben gerade jetzt. Ein großer Teil davon besteht in meiner Beziehung zu dir, meinen Freunden, meinen Klassenkameraden, zu allen, die hier versammelt sind. Aber Liebe, körperliche Liebe, ist auch ein wichtiger Teil meines Lebens.
Jane, es wird dir schwerfallen, das zu bejahen, aber du wirst mit ziemlicher Sicherheit mehr als einen Liebhaber im Leben haben. Das ist bei den meisten Frauen so. Und jeder einzelne deiner Liebhaber wird dich auf unterschiedliche Weise gefühlsmäßig und körperlich befriedigen. Jeder wird dir etwas geben, wie klein es auch sein mag, das die anderen dir nicht geben können. Sollte mein Anteil kleiner sein als deiner? Ich genieße meine Liebhaber - das gebe ich ungeniert zu -, aber selbst wenn ich’s nicht täte, sind sie noch immer Teil der Abmachung. Wenn ich kein erfülltes Leben zum Weidenkäfig mitbringe, kann das Opfer nicht durchgehen, und ich würde nicht angenommen werden. Das will ich nicht. Ich halte meine Versprechen.«
»Aber Peter ...«
»Peter weiß alles. Er mag mit einigen, die ich mir erwählt habe, nicht ganz einverstanden sein, aber er versteht es. Peter ist der Grundpfeiler meiner Existenz. Niemand sonst könnte seinen Platz einnehmen, und das weiß er auch.« Sie streichelte Jane das Haar. »Verstehst du es jetzt?«
»Nein«, sagte Jane. »Aber ich nehme dich beim Wort.«
Spontan umarmte Gwen sie. »Ich fühle mich dir nach diesem kleinen Gespräch noch viel näher. Ist das nicht seltsam? Ich habe das Gefühl, du wärst wirklich meine jüngere Schwester.« Dann kicherte sie.
»Was ist so komisch?«
»Du. Du bist eifersüchtig auf Falcone gewesen.«
»Daran kann ich nichts so schrecklich Komisches erkennen.«
»Falcone mag keine Mädchen, Dummerchen.«
Gwens Gelächter war hoch und silbrig, und nach einer Sekunde fiel Jane mit ein.
Sie fand Peter auf einem Balken am Fuß des Freudenfeuers hocken. Neben ihm war die Stroh-Gwen, die er am späteren Abend auf den Haufen werfen sollte, nachdem sie selbst die Fackel geschleudert hatte, die das ganze Bauwerk in Flammen setzen würde. Ein untergeordneter Fernsehmacher in der Nähe unterbrach die Aufnahmen, die ein Kamera-Troll gerade drehte.
»Hallo Jane. Ich habe gedacht, du wärst bei Gwen.«
»Sie gibt gerade Autogramme. Dann wird sie den Morris-Tanz anführen.«
Auf einer fernen Bühne spielte eine Gruppe Duppies Ska. Sie sprangen und hüpften im Takt der Musik, magere Wesen mit Rastalocken und roten Augen. »Nun, das ist typisch Gwen. Hat sie dir ihre Füße gezeigt? Letzte Nacht sind wir zum Pavillon
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