Die Tochter des stählernen Drachen
seine Ansprache beendet hatte, sah der bleiche Mann weg. Irgend jemand schob sich zwischen ihn und Jane. Sie trat einen Schritt zurück. Die Menge der Partygäste verlagerte sich, und er war ohne sichtbare Bewegung verschwunden. Jane wollte ihm nach, wurde von einem Kellner beiseite geschoben und drückte sich zwischen zwei Trollen hindurch. Sie fand sich am Vordereingang der Taverne wieder. Nicht weit entfernt waren Grunt und Strawwe, der Schulaufseher, ins Gespräch vertieft. Strawwe blickte auf und stieß Grunt an. Beide sahen ihr direkt ins Gesicht.
Einen Augenblick lang war sie wie erstarrt unter diesem Blick. Dann unterbrach ein vorbeischlenderndes Paar von Tylwyth Tegs den Blickwechsel, und sie zog sich in die Taverne zurück.
Die Eingangshalle hatte ein hohes Dach mit Holzbalken. Zwei Tapeziertische waren mit weißem Papier belegt und mit flachen Plastikgläsern und Weinflaschen in Eisbottichen gedeckt worden. Der Buffetier war nicht auf seinem Posten. Niemand sah hin. Jane schenkte sich ein Glas Rotwein ein.
Dann bemerkte sie, daß jemand die Tür zur Garderobe offen gelassen hatte. Sie setzte das Glas ab und schlüpfte in die Garderobe. Es war zu heiß für Jacken, aber auf einem Regal über der leeren Kleiderstange standen nachlässig einige Handtaschen. Fast reflexartig durchsuchte sie sie - einige Münzen, purpurfarbener Lidschatten, eine Descartier-Armbanduhr -, und trat in die Halle zurück, ehe der Buffetier zurückgekehrt war.
Sie nahm das Glas und hob es an die Lippen.
»Nein, meine Liebe.« Gwen tauchte neben ihr auf und nahm ihr entschlossen das Weinglas aus der Hand. Jane errötete und wollte sich entschuldigen. Aber ehe es ihr gelungen wäre, ein sinnvolles Wort herauszubringen, sagte Gwen: »Zum Fisch trinkt man Weißwein.« Sie stellte das Glas beiseite und schenkte ein neues ein. Sie tunkte die Spitze des kleinen Fingers hinein und schnippte einen Tropfen für die Göttin auf den Fußboden. »Dies ist weißer Caecuber. Er wird dir bestimmt schmecken. Er ist ein wenig süß und sehr frisch. Nimm einen Schluck!«
Jane nahm einen winzigen Schluck. Sie hatte nie zuvor Wein getrunken. Er schmeckte schrecklich. Sie nickte. »Sehr gut.«
»Nicht wahr? Komm, hilf mir, den Lachs anzurichten. Ich werd’s dir zeigen.«
Die Grills standen in der Mitte des Rasens. Der Barbecue-Chef der Taverne überließ Gwen seinen Platz, und sie nahm dankbar eine Zange von ihm.
Nach einem raschen Blick auf den Fisch legte Gwen die Zange auf den Anrichtetisch und rollte die Ärmel hoch. Sie zerschnitt eine Zitrone in zwei Hälften und drückte den Saft in einen Bottich mit zerlassener Butter. »Nimm das«, sie reichte Jane einen weiteren Bottich, »und reibe die Zitronenschale durch die feinen Masche dieser Reibe da in die Butter!«
Ungeschickt gehorchte Jane. Winzige grüne Flocken flogen in den Bottich und zerstreuten sich. »Ausgezeichnet!« Gwen nahm einen Löffel und rührte heftig. »Diese beiden am Ende sind fast fertig.« Sie holte Teller von einem Stapel in der Nähe, ließ den Lachs geschmeidig hineingleiten und reichte sie Jane. »Nimm eine gute Portion Butter und klatsche sie auf die Mitte jedes Fischs. Sieht das nicht hübsch aus?«
»Ja.«
Gwen nahm einen Pinsel und machte sich daran, den Rand des Lachses mit der Zitronenbutter zu bestreichen, die sie gerade hergestellt hatten. Ihre Freude über diese einfache Handlung war sichtbar. Das war typisch für sie, so wie sie überhaupt alles mit Begeisterung und Vergnügen tat. Neben ihr kam sich Jane langweilig und schwerfällig vor.
»Gwen, meine Liebe.« Ein teuer aussehender Elf mit dem rosigen Gesicht eines Reinrassigen, der allmählich alt wurde, trat hinter sie, beugte sich herab und küßte sie seitlich am Hals. Gwen hob vergnügt das Kinn. Jane spürte, wie ihr Gesicht starr wurde. »Was für ein hübsches Kleid!«
»Gefällt es dir?« Das Kleid war lang, weiß und fließend, es hatte eine grüne Schärpe um die Taille, die ideal die Färbung des Haars betonte. Gwen hob den Saum leicht auf beiden Seiten und wirbelte herum, um es zu präsentieren. »Meine kleine Schwester hat es mir geschenkt. Kennst du Jane schon?«
Der Elf nahm ihre Hand, beugte sich tief darüber und streifte ihre Knöchel mit den Lippen. Es war eine derart höfische Geste, daß Jane erst dann merkte, was er tat, als es vorüber war. »Enchanté.«
»Ja«, sagte Jane. »Ich auch.«
»Falcone ist Bühnenbildner«, erklärte Gwen. »Er hat das Freudenfeuer am Ende des
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