Die Tochter des Tuchhandlers
Euch gut macht, schenke ich Euch eine fette Pfründe, und Ihr könnt Euch ganz Euren lateinischen Studien widmen.«
Erfreut verneigte sich Alberto Mari. »Ich werde Euch nicht enttäuschen, Euer Heiligkeit.«
»Das wäre auch das Letzte, was Ihr in Eurem nichtswürdigen Leben tätet!«, fauchte Alessandro.
Flamini sagte nach einem Blickwechsel mit dem Papst zu Mari: »Ihr seid entlassen. Wartet drauÃen auf mich.«
Gehorsam trat Alberto Mari durch das Vorzimmer, in dem ein junger Priesteranwärter an einem Arbeitstisch saà und Papiere sortierte, zurück in die Loggia della Cosmografia. Von den Fenstern konnte man bei Tag auf den Platz vor der Peterskirche sehen, aber jetzt war die Aussicht durch Schutt und Reste der alten Basilika getrübt. Unten lief jemand mit einer Fackel durch die Dunkelheit. Mari fragte sich, warum der Papst ausgerechnet jetzt den unfähigen Alessandro in Florenz an die Macht bringen wollte. Zurzeit regierte Kardinal Passerini von Cortona selbstherrlich die Signoria und presste den Florentinern unerhörte Steuern ab. Der Kardinal war genauso verhasst wie die Medici, und ein Aufstand der Florentiner war nur eine Frage von Wochen oder Monaten. Man konnte das Volk auf Dauer nicht so behandeln. Auch die Luccheser übertrieben es, was sich in der Unzufriedenheit der Seidenweber und auf den StraÃen zeigte. Die Reformation in Deutschland schürte die aufgebrachte Stimmung zusätzlich, machte sie doch den Katholiken deutlich, was die Kardinäle und Bischöfe an ihren Gläubigen schätzten â ihre Spenden. Mari hatte die Berichte über den deutschen Augustinermönch Luther und dessen standhafte Verteidigung seiner Thesen vor Karl gelesen und dem Mönch Bewunderung gezollt. Luthers Anhänger nannten sich nach dem Neuen Testament die »Evangelischen« und wurden von vielen Fürsten gefördert und finanziert, und aus diesen Reihen wurden die Landsknechte unterstützt und rekrutiert â dieselben Landsknechte, die jetzt in Mailand gegen Sforza und die Franzosen kämpften und deren Gier auf ein gröÃeres Stück von Italien noch lange nicht gestillt war.
»Mari! Hört Ihr nicht? Kommt schon, ich muss Euch für die Rückreise instruieren.« Flamini winkte ihn ungeduldig zu sich.
Alberto Mari löste sich schwerfällig vom Fenster, seine Knochen schmerzten noch von der Reise, und er sehnte sich nach einem warmen, weichen Nachtlager. Auch wenn äuÃerlich keine Spuren der Gefangenschaft geblieben waren, spürte er doch, dass ihn die Zeit im Kerker geschwächt hatte. Der plötzliche Tod der Rimortellis hatte ihn darüber hinaus mitgenommen, und er fühlte sich um Jahre älter als noch zu Beginn des Sommers. In Flaminis Arbeitszimmer lieà er sich resignierend auf einen Stuhl fallen und wartete auf seine Befehle.
Misstrauisch schaute Flamini ihn von seinem Schreibtisch aus an. »Was ist bloà los mit Euch, Mari? Ihr seid doch sonst immer zu einem Scherz aufgelegt, immer streitbar. Es kommt mir fast vor, als hättet Ihr mit Eurem Leben bereits abgeschlossen. Ihr seid doch nicht krank?«
Angewidert vom intriganten Papst und dessen hässlicher Ausgeburt des Bösen war er, und das machte ihn krank. »Möglicherweise habe ich mir eine Erkältung eingefangen. Der Regen, die Kälte â¦Â« Alberto hob entschuldigend die Schultern.
»Wir kommen in die Jahre, was, Mari? Hier ein Zipperlein, da ein Stechen. Ihr solltet Euch vom Wein und von den fetten Speisen fernhalten, das bekäme Euch sicher gut.« Vorwurfsvoll schaute Flamini auf Maris wohlgenährten Leib.
»Ich bin kein Asket«, murrte der Sekretär und hoffte, dass er sich endlich zurückziehen konnte.
»Mit diesem Schreiben geht Ihr morgen zum Schatzkämmerer und lasst Euch zweitausend Scudi in Goldmünzen auszahlen. AnschlieÃend kommt Ihr zu mir und erhaltet den Brief von Alessandro. Ãber einen geeigneten Begleiter denke ich noch nach. Gehabt Euch wohl, Mari. Ihr könnt froh sein, dass Seine Heiligkeit Euch mit dieser Sache betraut. Bisher habt Ihr Euch nicht ausgezeichnet.«
»Hm. Bis morgen, Exzellenz.« Mari steckte die Urkunde mit dem päpstlichen Siegel ein, erhielt beim Hinausgehen vom Abbreviator seinen Umhang zurück und verlieà die Loggia auf schnellstem Wege. Sein Quartier befand sich in einem Nebentrakt des Palasts bei den niederen Beamten. Obwohl die Zeit
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