Die Tochter des Tuchhandlers
des Abendessens vorüber war, brachte man ihm noch eine Suppe in sein Zimmer. Als er den warmen Gewürzwein kostete und seine FüÃe in die Nähe des Kohlenbeckens hielt, fühlte er für einen Moment die tröstliche Vertrautheit des Vatikans, in dem er seit so vielen Jahren lebte und arbeitete. Aber die Angst vor dem, was ihn in Lucca erwartete, kroch wieder in seine Glieder und verdarb ihm den Appetit. Er konnte den drohenden Blick des Mohren ebenso wenig verdrängen wie Clemensâ allzu deutliche Worte.
Wenn er das Bündnis mit dem Luccheser Verräter zur Durchführung brachte und Alessandro dadurch Florenz gewann, winkte ihm eine ertragreiche Pfründe, wenn nicht, konnte sich Mari mit den Gedanken ans Jenseits anfreunden. Hochmut kommt vor dem Fall, dachte er reumütig und verdammte sein eigenes Streben nach Gelehrsamkeit und Wohlstand.
XXIV
Lucca, Dezember 1525
Der Winter traf die Luccheser Anfang Dezember mit voller Wucht in Form von anhaltendem Regen und Hagelstürmen. Die Vororte versanken im Schlamm, und die Menschen suchten Zuflucht in der Stadt, was zu überfüllten Hospizen, Klöstern und Herbergen führte. Durch die plötzliche Dichte an Armen und Bettlern kam es immer häufiger zu Ausbrüchen von Fleckfieber. Die Bader, Ãrzte und Nonnen taten alles in ihrer Macht Stehende, um einen Ausbruch schlimmerer Seuchen zu verhindern. Da die Ernten gut gewesen waren, konnte der GroÃe Rat zumindest genügend Getreide ausgeben lassen, um eine Hungersnot zu verhindern. Man hatte in dieser schwierigen Zeit den von allen geachteten Lorenzo Mansi zum gonfaloniere gewählt, dem es gelang, die aufbegehrenden Seidenweber mit dem Versprechen auf verbesserte Arbeitsbedingungen fürs Erste zu besänftigen. Doch einige der reichen Tuchhändler stimmten nicht mit Mansis moderaten Vorschlägen überein und murrten, weil sie erst zu enormen Abgaben an den Kaiser gezwungen worden waren und jetzt auch noch auf Profit durch Zugeständnisse an die Weber verzichten sollten.
Zu den Gegnern von Mansis Partei gehörten die Quilicis, die da Sestos, die Gottaneris und die Valoris, die sich immer häufiger trafen, um über die aus ihrer Sicht unverschämten Forderungen der Weber zu diskutieren. Wenn ein solches Treffen im Hause der Buornardis stattfand, wurde Beatrice zwar aus dem Raum geschickt, erfuhr aber von Maria und Plantilla einiges von dem, was die Männer besprachen. Die Rückkehr nach Lucca war ein schwerer Gang für Beatrice gewesen, vor allem der Abschied von Ines hatte sie tagelang in eine düstere Stimmung versetzt. Ines war zu Ugo gegangen, der noch immer auf sie gewartet hatte. Beatrice schenkte Ines einen Ring ihrer Mutter und fünf Goldstücke zur Hochzeit.
Bereits am zweiten Tag nach ihrer Ankunft im Palazzo hatte Federico sie zu einem Notar mitgenommen, in dessen Gegenwart sie eine Verzichtserklärung und Ãberschreibung ihres gesamten Vermögens an ihren Ehemann unterzeichnen musste. Federico hatte mit ihrem Onkel Veltrino Caprese in Florenz korrespondiert und sich alle Unterlagen über Jacopinos Vermögensregelung geben lassen. Für Caprese war es ein normaler Vorgang, dass ihr Mann die Finanzen ordnete, und er hatte sich mit keiner Zeile an Beatrice gewandt.
Nach der Unterzeichnung der Papiere war Beatrice nur noch ein Schatten ihrer selbst. Jetzt war sie mittellos und in jeder Beziehung abhängig von ihrem Mann, und sie hatte das Gefühl, dass Federico sie genau dort hatte, wo er sie von Anfang an hatte haben wollen â unter seiner Kontrolle. Federico hatte angeordnet, dass sie nur unter Begleitung und mit seiner Genehmigung den Palazzo verlassen durfte. Pietro Farini konnte seine Genugtuung über die neuen Verhältnisse kaum verbergen. Aus jedem seiner Worte sprach unverhohlene Häme. Von Lorenzas Seite erwartete Beatrice erst gar keine Hilfe. Die Matrone lebte ihre tyrannischen Launen nach Belieben aus, lieà bestrafen und hinauswerfen, wenn es ihr gefiel, und nahm weiter sichtbar an Leibesfülle zu. Vielleicht erlitt sie irgendwann einen Schlag, hoffte Beatrice, doch diesen Gefallen würde die boshafte Frau ihr wohl nicht tun.
Wann immer es ihr möglich war, ging Beatrice zu Agostino Nardorus ins Kontor. Auch an diesem Morgen stand sie mit ihm am Schreibpult und kontrollierte Zahlenkolonnen. Die Ein- und Ausgaben deckten sich, und sie verstand nicht, warum Federico von einem
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