Die Tochter des Tuchhandlers
ruinösen Zustand des Geschäftes sprach. »Können wir Einblick in die Konten der Buornardis in Lucca und Florenz nehmen, Agostino?«
Der schmächtige Buchhalter schüttelte den Kopf. »Nur mit einer Vollmacht Eures Mannes. Die Abnehmer in Deutschland und England sind sehr zufrieden mit unseren Stoffen, es kommen immer neue Aufträge dazu, und auch der Gewürzhandel, den wir nebenbei betreiben, läuft gut. Die Defizite sind entweder durch Alessandros Börsengeschäfte verschärft worden, oder Euer Mann hat Ausgaben, von denen wir nichts wissen.«
Sie seufzte schwer. »Ja, das wird es sein, und ich kann auch keinen Kontakt mit Alessandro aufnehmen, mich kennt er nicht. Und wenn Federico das erführe, weià ich nicht, zu was er fähig wäre. Es hat sich viel geändert, Agostino â¦Â«
Ein schwaches Lächeln huschte über sein blasses Gesicht. »Leider, Madonna, leider â¦Â«
Die Tür wurde aufgestoÃen, und Lorenza kam in Begleitung des maestro di casa hereinmarschiert. »Was haben diese beiden hier wieder zu bereden? Beatrice, Ihr seid eine junge Mutter und gehört nach oben zu Eurem Kind. Aber bleibt ruhig noch einen Moment, damit Ihr lernt, wie man einen Haushalt führt. Agostino, Euer Gehalt wird um zwanzig Scudi gekürzt. Mein Sohn hat gesagt, dass wir Einsparungen machen müssen, und ich gehe ihm dabei zur Hand. Er kann sich nicht um alles kümmern, nicht wahr?«
Nardorus legte die Schreibfeder hin und sagte ruhig: »Ich verdiene siebzig Scudi im Jahr und kann davon kaum meine Familie ernähren. Wie soll ich es mit weniger schaffen?«
»Das überlasse ich deiner Intelligenz, wozu bist du Buchhalter?« Signora Buornardi sah sich im Kontor um. Dann zeigte sie auf einen Sessel. »Den möchte ich im vorderen Salon haben. Wozu müssen hier Sessel stehen!«
»Hier werden Geschäfte besprochen, Signora«, mischte Beatrice sich ein und erinnerte sich wehmütig an die Zeit, als Federicos Vater hier gesessen und mit ihr über Seide geplaudert hatte.
»Eure Meinung ist unwichtig, Beatrice.« Lorenza nickte Pietro zu, der einen Diener holte und den Sessel hinaustragen lieÃ.
Solche Szenen erlebte Beatrice von nun an ständig, denn Lorenza lieà keine Gelegenheit aus, sie oder die Dienerschaft zu demütigen. Doch Beatrice ertrug alles mit stoischer Gelassenheit, weil sie wusste, dass ein Wort von Federico genügte und man ihr Giulia wegnehmen würde. Aus diesem Grund ging sie auch heute schweigend die Treppe hinauf in ihre Zimmer. Im Ankleidezimmer saà die Amme, und neben ihr stand Alba und wiegte Giulia in ihren Armen. Erstaunt betrachtete Beatrice das ungewohnte Bild, Giulia quiekte vor Vergnügen, während Alba sich mit ihr drehte und ein Kinderlied sang.
Als Alba herumschwang und Beatrice sah, streckte sie ihr sofort den Säugling entgegen. »Ich habe sie nur geschaukelt, weil sie geschrien hat, und es hat ihr gefallen.«
Beatrice nahm ihr Kind und küsste die zarten Wangen. »Danke, Alba, ich wusste gar nicht, dass du so gut mit Kindern umgehen kannst.«
»Ich hatte vier Brüder!« Sie strich über ihre Schürze, die sie selbst genäht hatte, wie sie Beatrice stolz erzählt hatte. »Aber die waren nicht so süà wie Giulia. Madonna, die Signora hat gesagt, ich darf nicht mehr zu Pater Aniani, weil das Geld kostet! Aber ich möchte gerne wieder hingehen und weiter lernen. Die Signora meinte, dass Ihr mich jetzt hier braucht, weil Ines fort ist.«
»Ja, das stimmt, aber du kannst trotzdem zu Pater Anianis Unterricht gehen. Ich werde versuchen, das zu klären. Wo ist denn Fio? Hat er einen warmen Schlafplatz?«
Als Antwort maunzte es aus einem Korb unter dem Tisch. Beatrice neigte den Kopf und entdeckte den weiÃen Kater zusammengerollt in einem Tuch.
»Ich habe ihn in dem Korb hier mit heraufgenommen. Er mag das. Nur die Hunde der Signora dürfen ihn nicht finden.« Alba setzte sich unter den Tisch und streichelte den Kater.
Das Mädchen hatte sich zu seinem Vorteil verändert, war ruhiger geworden und verrichtete die ihm aufgetragenen Arbeiten inzwischen klaglos, worüber Beatrice froh war, denn bei Lorenza hätte Alba einen schlechten Stand. Aber das Mädchen war nicht dumm und mit einem natürlichen Ãberlebensinstinkt ausgestattet, der ihr vielleicht sagte, dass Beatrice sie nicht länger beschützen konnte.
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