Die Tochter des Tuchhandlers
zu einem Kassettenschrank hinter seinem Tisch und nahm einen Lederbeutel mit Goldmünzen heraus. Davon legte er zehn auf den Tisch. »Die anderen zwanzig bekommt Ihr nach erfolgreicher Arbeit.« Er lieà den Beutel klirren und verstaute ihn wieder im Schrank.
»Zwanzig jetzt und dreiÃig nachher«, sagte der sicario . »Das ist immer noch wenig im Vergleich mit zweitausend Scudi und der Aussicht auf weitere Erpressungen.« Er kannte den Geheimsekretär. Wo immer Flamini konnte, versuchte er, Profit für sich herauszuschlagen.
Flamini überlegte nicht lange, sondern legte weitere zehn Goldstücke dazu. »Zeigt mir, dass Ihr Euren Preis wert seid, und ich verdopple die Summe.«
Der sicario steckte das Geld ein. »Der Erpresser soll hier in Rom sein, ich habe so was läuten hören, und es kommt nur jemand aus Lucca in Frage. Mari hat da Sesto den Brief im Dom ausgehändigt. Da Sesto war in Begleitung von Filippo Menobbi. Zusammen sind sie zur Marchesa gegangen. Alle drei Personen sind tot. Aber die Schwester von Menobbi und ihr Liebhaber, ein gewisser Buornardi, sind entkommen. Wenn sie in Rom sind, finde ich sie.«
»Dann geht, in Gottes Namen!«
Mit einem kaum hörbaren Lachen verlieà der sicario das Büro des Geheimsekretärs, der im Namen Gottes Verbrechen begehen lieÃ, für die ein normaler Bürger im Höllenfeuer landete. Aber vielleicht wurden einer Eminenz, die im Vatikan lebte, automatisch alle Sünden erlassen. Und dann waren seine Sünden, weil sie ja mit dem Geld des Heiligen Vaters bezahlt wurden, womöglich gar keine Sünden? Wieder lachte der sicario und sah in die befremdeten Gesichter einiger Geistlicher, die mit ernsten Mienen über die Flure wandelten. Und wen habt ihr gerade bestochen, damit eine aufmüpfige Geliebte oder ein lästiger Gläubiger umgebracht wird? Der sicario eilte durch die weitläufigen Gänge des Vatikanischen Palasts und war froh, als er nach drauÃen und über die Treppe hinunter zur Baustelle von Sankt Peter laufen konnte. Dabei interessierten ihn weder die Schönheiten der Architektur noch die Marmorsäulen und Statuen, die in den bedeckten Winterhimmel aufragten.
Nieselregen durchnässte seine Kleidung, und er verfluchte den Winter. Mit genügend Geld konnte er sich irgendwo ein kleines Anwesen kaufen und diesen Sündenpfuhl von einer Stadt hinter sich lassen. Aber noch hatte er nicht genügend Vermögen zur Seite geschafft, um davon leben zu können, und deshalb musste er sich jetzt hinunter an den Tiber begeben, in die Ripa, das Viertel am Hafen, wo neben Gütern auch Nachrichten umgeschlagen wurden. Mit den richtigen Kontakten und genügend Geld erfuhr man hier faktisch alles, was in Rom vor sich ging, und wenn jemand aus Lucca in Rom war und einen Erpresserbrief an den Vatikan geschickt hatte, dann gab es auch irgendeine verfluchte Seele, die davon wusste.
Mit der Geschmeidigkeit einer Gazelle lief er den Kapitolshügel hinunter, sprang über Säulentrümmer und kam kurz darauf am Tiberufer an. Der Fluss schäumte grau zwischen den Ufern, und wenn die groÃen Regenfälle einsetzten, würde er wieder alles überschwemmen. Er winkte einen Bootsführer heran. Der derbe Mann mit den kurz geschorenen Haaren besaà einen alten Frachtkahn, mit dem er Waren den Fluss hinauf- und hinunterschipperte. Sie kannten sich, und der sicario machte nur eine fragende Handbewegung, in welche Richtung der Kahn unterwegs war, erhielt eine befriedigende Antwort und sprang auf die feuchten Planken.
»Eh, wohin?«, fragte der Schiffer.
»Ponte Santa Maria.« Der sicario gab ihm ein paar Münzen und setzte sich auf einen Stapel Säcke.
XXXII
»I Viziosi«
Seit einigen Tagen reisten sie nun durch das Casentino, das sie nach Aufenthalten in Settignano und Pontassieve und einer strapaziösen Wegstrecke durch die Berge über den Consumapass erreicht hatten. Beatrice ging das alles viel zu langsam, und sie hoffte bei jedem Aufenthalt in einem der kleinen Orte, dass die Truppe keine Gelegenheit zum Auftreten fand, damit sie sofort weiterreisen konnten. Doch die Leute schienen begierig darauf, die Schauspieler zu sehen, waren sie doch eine der seltenen Abwechslungen während des Winters, und so machten sie Station in Stia, Pratovecchio, Poppi und dem Marktstädtchen Bibbiena. Alle Orte lagen entlang des Arno, der durch das malerische Casentino
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