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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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zwischen zwei Gebirgszügen hinunter nach Arezzo floss. Der Wagen ruckelte über die Straße, die diesen Namen kaum verdiente, da sie voller Schlaglöcher und Steine war. Deshalb wunderte sich Beatrice nicht, als sie plötzlich schräg nach hinten wegsackten und Vito laut fluchte.
    Bianca, die auf der Pritsche hinter dem Vorhang geschlafen hatte, rollte auf den Boden und schrie auf. Mina lachte, zog sich einen Umhang über und öffnete die Tür. Beatrice und Alba folgten ihr nach draußen, um sich den Schaden anzusehen. Die Luft war kalt und klar, zumindest regnete es nicht, und der Boden war gefroren, so dass sie nicht durch knöcheltiefen Matsch zu waten brauchten, wie meistens.
    Matteo sprang von seinem Pferd. »Wie geht es Euch, Madonna? Habt Ihr Euch inzwischen an das Leben auf Rädern gewöhnt?« Seine Wangen waren gerötet, und er strahlte sie freundlich an. Dass die Frauen seinem Charme erlagen, war verständlich, denn er machte nicht nur auf der Bühne eine gute Figur. Alba zupfte immer ganz verzückt an ihrem Kleid, wenn sie ihn sah.
    Â»Nicht wirklich. Ich bin wohl ein verwöhntes Stadtpflänzchen. Aber das heißt nicht, dass ich Euch nicht dankbar bin und Eure und die Gesellschaft Eurer Leute nicht genieße!« Beatrice kuschelte sich in ihren pelzgefütterten Umhang und sah neugierig auf das gebrochene Rad.
    Vito trat wütend dagegen. »Unser Ersatzrad macht es noch bis zur nächsten Ortschaft, aber dann brauchen wir einen Stellmacher, der uns zwei neue Räder fertigt, sonst bleiben wir bald wieder irgendwo liegen.«
    Ein Pferd schnaubte, und Battista hielt es mit Mühe zurück. »Da vorn liegt Pieve Socana. Bis Sonnenuntergang sind es ungefähr zwei Stunden. Es gibt einen Gasthof dort. Was meinst du, Matteo, soll ich hinreiten und Zimmer für uns bestellen? Eine bequeme Nacht und ein gutes Essen würden uns allen guttun.«
    Â»Ah, dir ist mein Essen nicht gut genug, was?«, keifte Mina.
    Â»Deine Grütze erweckt Tote zum Leben und Lebende …«, doch bevor Mina ihn erreichen konnte, gab er seinem Pferd die Sporen und trabte davon.
    Matteo und Paolo halfen Vito beim Auswechseln des Rades. Die Frauen vertraten sich derweil die Beine, und Alba hüpfte wie ein junges Fohlen herum. Ihr schien die Reise mehr als allen anderen zu gefallen, was daran liegen mochte, dass sie noch nie weiter als bis Matraia gefahren war.
    Eine Reisegruppe zog an ihnen vorüber. Die Kaufleute kamen aus Neapel und waren auf dem Weg nach Florenz. Höflich boten sie ihre Hilfe an, doch Matteo lehnte dankend ab. »Wir sind schon so gut wie auf dem Weg, meine Herren. Habt Dank und eine gute Reise!«
    Die mit Pelzmänteln gekleideten und von einem Dutzend Bewaffneter begleiteten Männer grüßten und setzten ihre Reise fort. Seufzend dachte Beatrice beim Anblick der Kaufleute an ihre Eltern und starrte dem wohlbepackten Tross hinterher. Jemand berührte sie am Ärmel.
    Â»Ihr seid viel zu traurig, Madonna. Das Leben geht weiter. Carpe diem!« Matteo breitete die Arme aus und ließ den Kopf in den Nacken fallen. »Schaut Euch den wundervollen Himmel an. Der Mond steht dort schon in seiner silbernen Schönheit und leuchtet einer weiteren Nacht voller Mysterien …« Seine Stimme sank zu einem rauen Flüstern. »Genug, o genug! Die Stadt stirbt dahin, der Streit sei beendet, o lasset ihn ruhn …«
    Bianca gab Matteo einen Schubs. »Hör schon auf, die arme Madonna mit deinen Versen zu belästigen! Pack lieber mit an, damit wir endlich die Gastwirtschaft erreichen.«
    Â»O schnöder Unverstand! Madonna, hört nicht auf sie, diese edlen Verse stammen aus dem wunderbaren Werk ›König Ödipus‹ von Sophokles, das wir übrigens in Perugia geben werden. Jawohl! Wir spielen eine Tragödie! Ihr müsst einfach bis Perugia mitkommen. Ich bewundere den großen Trissino, der ›La Sofonisba‹ geschrieben hat. Ein großes Werk!«
    Â»Eh, halt die Klappe, Matteo, und fass mit an!« Vito schnaufte, während er versuchte, das neue Rad auf die Achse zu setzen.
    Â 
    Der Mond stand in voller, bleicher Schönheit am Nachthimmel und war die einzige Lichtquelle auf der Straße nach Pieve Socana, doch Tomeo hatte von einer Gruppe Kaufleute erfahren, dass die Komödiantengruppe nicht weit von dem Ort entfernt eine Wagenpanne gehabt hatte. Die Chancen standen gut, dass die

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