Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
viel wollt Ihr mir denn verkaufen?«
fragte sie zurück und erntete dafür ein Lachen.
»Zwei Fäden
drei Schilling.« Er zupfte an seinen ausgestellten Ärmeln. Erst jetzt fiel Jolanthe
auf, dass sein Hemd aus Seide gearbeitet war.
»Das, was
Ihr mir da anbietet, ist gerade mal die Hälfte wert.« Sie konnte nicht verhindern,
dass sich ein überlegenes Lächeln auf ihre Lippen legte. »Ihr wisst Eure Kundschaft
auszunehmen. Der Preis für Safran liegt in Italien bei der Hälfte von dem, was Ihr
hier in Ulm verlangt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich auf dem Transportweg
verdoppelt.« Es war eine Annahme, die sie jedoch stützen konnte auf ein Gespräch,
das sie letzt mit einem Kunden ihres Vaters geführt hatte. Der war auf einer Reise
in Italien gewesen und ein begnadeter Erzähler, von dem sie nebenbei immer wieder
wichtige Dinge erfuhr, weswegen sie sich gern mit ihm unterhielt.
»Ihr habt
erstaunliche Erfahrung, wenn ich das so sagen darf.« Der Mann zog eine Braue hoch,
eine Geste, die Jolanthe arrogant vorkam. »Habt Ihr dieses Land bereist, meine Gute?«
»Nein«,
Jolanthe verschränkte die Arme vor der Brust. »Das muss ich nicht, um zu sehen,
dass Ihr mich übervorteilen wollt.«
»So, das
seht Ihr also.«
»Wundert
Euch das? Ich biete Euch einen Schilling für einen Faden von Eurem Safran. Und legt
mir noch ein paar Pfefferkörner obenauf.«
Der Mann
stützte beide Hände auf seinen Tisch und beugte sich vor, um sie zu mustern. Mit
gesenkter Stimme sagte er: »Euch ist dieser Safran zu teuer? Gut. Ich habe da noch
etwas Besonderes, was Euch sicher genehmer ist. Ich biete das nicht jedem an, nur
denen, die mir gefallen.« Er bückte sich unter den Tisch und kam mit einem kleinen
Kästchen wieder zum Vorschein. Er öffnete es und ließ Jolanthe hineinsehen. Sie
konnte längliche Fäden erkennen, die etwas heller schienen als die aus dem grünen
Glas. »Ein ganz besonderer Safran, direkt aus dem Orient importiert, meine Liebe.
Und da ich dorthin Beziehungen habe, bekomme ich ihn zu einem günstigen Preis.«
Er schloss das Kästchen. »Den gebe ich gern an Euch weiter. Vier Fäden für drei
Schillinge. Wie gefällt Euch das?«
Jolanthe
zögerte und ließ sich noch einmal die helleren Fäden zeigen, drehte das Kästchen
ins Licht, um sie genau zu betrachten und sicherzugehen. Jetzt habe ich dich, dachte
sie. »Ein Faden hiervon, fünf Pfefferkörner für zehn Pfennige, dann sind wir beieinander.«
Der Händler
nickte. Er schickte sich an, das Gewünschte zu verpacken, dann hielt er die Hand
hin. Doch Jolanthe machte weder Anstalten, die Ware an sich zu nehmen, noch sie
zu bezahlen.
»Ihr habt
geglaubt, ich lasse mich reinlegen, was?«
Er zog seine
Hand zurück, und sie freute sich diebisch über seinen misstrauischen Gesichtsausdruck.
Sie trommelte mit den Fingern auf den Holztisch, zögerte den Augenblick hinaus,
so lange es ging.
»Inwiefern?«
»Dies hier
ist kein Safran. Das ist Saflor, durchaus schmackhaft, aber eine Fälschung. Ihr
wolltet mich täuschen.« Sie hatte erst letzt ein Gespräch des Vaters mit angehört,
bei dem es um die hohen Strafen ging, die der Rat verhängte für Händler, die gefälschten
Safran unter die Leute brachten.
Er lachte.
»Aber niemals!«
Natürlich
bestritt er, aber sie war sich ihres Urteils sicher. Sie brauchte nur zu sehen,
wie er das Zittern seiner Hände zu verbergen versuchte, indem er sie in den Ärmeln
versteckte.
»Das ist
schön für Euch. Seid froh, dass ich es nicht dem Rat melde«, entgegnete Jolanthe
und wandte sich ab.
»Gute Frau,
so wartet doch! Kann ich Euch mit einer Gabe milde stimmen, ich wollte Euch nicht …«
»Der Pfeffer«,
hörte sie Katrein neben sich flüstern. Sie lief los, ohne darauf zu reagieren. Der
Händler rief ihr hinterher: »Ich schenke Euch fünf Pfefferkörner, so wartet doch!«
Jolanthe
hörte nicht auf ihn, sie achtete nicht darauf, ob Katrein ihr folgte oder nicht.
Sie schob sich durch die Menge, erreichte eine Nebengasse und schritt schnell aus.
»Der Pfeffer«, ahmte sie die Magd nach und wechselte den Korb so schwungvoll von
einer Hand in die andere, dass er ihr fast entglitt. Was waren schon ein paar Pfefferkörner
gegen den Triumph, den sie spürte, wenn sie den Mann einfach stehen ließ? Der würde
sich das nächste Mal genau überlegen, wie hochmütig er sie behandeln wollte. Sie
war eine Kaufmannstochter, und wenn sich solche Gestalten wie der Gewürzhändler
das merkten, dann zählte für sie
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