Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bauch rieb mit jedem Schritt, den sie tat. Sie grüßte
die Nachbarin, die ihr freundlich zunickte mit den Worten:
»Wie schön,
dass bei Euch nun Ordnung eingekehrt ist.«
Als wenn
es die vorher nicht gegeben hätte, dachte Jolanthe. »Es war an der Zeit«, antwortete
sie gerade so freundlich wie nötig.
»Die Sieglinde
hat so einen feschen Mann verdient. Ich freue mich für sie.«
Und für
dich wird sich auch noch einer finden, ergänzte Jolanthe in Gedanken.
»Mein Vater
hat gründlich überlegt, wem er sie gibt«, sagte sie und spürte das Gewicht des Korbes
in den Armen. Sie wollte weiter. Katrein war ein paar Schritte voraus gelaufen und
stehen geblieben. Nun sah sie erwartungsvoll zu ihr her. Die Magd wusste, dass sie
nicht allzu lange für diese Arbeit brauchen durfte, sonst würde Sieglinde ihr das
als Trödelei anrechnen.
»Und für
dich wird sich auch noch einer finden.« Die Frau wollte noch weiterreden, aber Jolanthe
deutete entschuldigend mit dem Kopf auf die Wäsche und hastete weiter. Im Moment
habt ihr alle Oberwasser, aber wartet es ab. Irgendwann kommt die Reihe wieder an
mich und dann …
Sie durchquerten
eines der Stadttore und gelangten an einen der Waschplätze, an dem ein paar Frauen
bereits Kleider und Hemden im Wasser der Donau wuschen. Kleine Kinder spielten zwischen
ihnen Fangen, wurden barsch zurechtgewiesen, wenn ihr Spiel zu übermütig geriet.
Jolanthe und Katrein grüßten und setzten ihre Körbe neben dem Wasser ab. Katrein
begann während der Arbeit ein Gespräch mit einer anderen Magd, doch Jolanthe hörte
nicht zu. Sie kniete sich nieder, tunkte ein Hemd in das Wasser, rieb es mit Seife
ein und schrubbte es über dem Waschbrett. Ihre Haut sog das Nass auf wie der Stoff,
und die Ärmel ihres Kleides hingen schwer an den Armen.
Sie dachte
an eine Szene im Kontor, bei der Vico Einsicht in die Bücher verlangt hatte und
wieder und wieder nachhakte, so als habe er alles Wissen und sie keines. Wenn es
nach ihm ginge, würde sie unter Sieglindes Aufsicht endlich kochen lernen, hatte
er ihr an den Kopf geworfen. In dieser Hinsicht hatte er die Ansichten seiner frisch
Angetrauten ohne Änderungen übernommen.
»Er spielt
sich auf«, sagte sie zu sich und spülte den Stoff mit kräftigen Bewegungen aus.
Neben sich hörte sie Katrein keuchen bei dem Versuch, aus einem Kleid das Wasser
auszuwringen.
Jolanthe
fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase und dankte Gott dafür, dass der Vater
seine Prinzipien hatte und diese auch beibehielt. Das allein sicherte ihr die Stellung
bei den Büchern. Sie konnte nur hoffen, dass Vico es irgendwann einsah und nachgab.
Er und Sieglinde
verstanden sich erstaunlich gut, zumindest soweit Jolanthe das beurteilen konnte.
Der Schwester gefiel es, von Nachbarn und Bekannten mit Wohlwollen bedacht zu werden.
Zudem hatte sie herausgefunden, dass ihr Ehemann sich wie selbstverständlich in
den angesehenen Kreisen Ulms bewegte. Jolanthe hatte das Leuchten in den Augen Sieglindes
gesehen, wenn Vico beim Essen von bekannten Persönlichkeiten aus dem Rat erzählte,
mit denen er gesprochen hatte.
Gemeinsam
mit Katrein legte sie die gewaschenen Kleidungsstücke zurück in die Körbe. Der Rückweg
wurde erheblich anstrengender, mehrmals mussten sie innehalten und die schwere Last
absetzen. Ein Hund schnüffelte an der Wäsche. Jolanthe verscheuchte ihn mit Händeklatschen,
gerade als er sein Bein heben wollte.
Im Hof hängten
sie die nassen Kleidungsstücke auf zwischen Holzpfählen gespannte Leinen, dann ging
Jolanthe ins Haus, blieb unschlüssig im Flur stehen und starrte auf ihre schrumpeligen
Hände. Und nun? Sie fühlte sich körperlich müde, doch ihr Geist blieb ruhelos wie
zuvor. Sie stieg die Stufen zum nächsten Stockwerk hoch, lief auf den knarrenden
Holzdielen den Gang entlang und zögerte vor der Tür, die zum Kontor führte. Der
Raum, der ihr sonst immer Zuflucht gewesen war, ihr Geborgenheit gab, hatte sich
innerhalb weniger Tage zum Abbild ihrer Niederlage verwandelt. Sie strich mit dem
Zeigefinger über das Holz, fuhr vom linken Türrahmen zum rechten und zurück.
Unvermittelt
wurde die Tür aufgerissen. Sie blinzelte in die Helligkeit. Vico stand vor ihr und
zog eine Braue hoch, ganz langsam, so als erübrige sich jede weitere Geste.
»Dachte
ich es mir, dass hier draußen wer steht. Ich habe deine klugen Bemerkungen bereits
vermisst.«
Das glaubst
du doch selbst nicht, dachte sie, antwortete nichts, zog nur die Schultern hoch.
Dann
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