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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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deuten. Misstrauen? Neugier? Beides?
Sie sagte nur: »Warum tust du es nicht?«
    »Ich …«
Jolanthe fühlte sich ertappt. Die Erklärung, sie müsse bei Winald bleiben, ihn vor
Fehlern bewahren, das Kontor vor einem tumben Schwiegersohn schützen und vor einer
herrschsüchtigen Schwester, blieb ihr im Mund stecken. Sie hätte vor Martha ohnehin
keinen Bestand gehabt.
    »Sei vernünftig,
Jolanthe. Du hast viel zu wenig Erfahrung mit der Welt, um dich als großer Kaufmann
aufzuspielen. Komm hinter den Büchern hervor und fange selbst an zu spielen.«
    »Wie?« Verdammt,
was meinte sie?
    Martha drückte
noch einmal Jolanthes Arm. »Ich muss dem Jungen helfen. Komm mich besuchen, dann
reden wir.« Damit drehte sie sich um und strebte mit ihrem wiegenden Gang die Gasse
entlang.
    Der grau
verhangene Himmel versprach Regen, deshalb schlug Jolanthe den Weg nach Hause ein.
In ihrer Kammer zog sie sich um, dann entfernte sie im Hof notdürftig die Flecken
von ihrem Rock.
    Immer noch
in Gedanken beim Gespräch mit der Freundin, hängte Jolanthe das Kleidungsstück zum
Trocknen auf, dann begab sie sich ins obere Geschoss und schob die Tür zum Kontor
auf. Die runden Scheiben spielten mit dem diffusen Licht dieses trüben Tages. Es
roch nach Papier, Tinte und nach den Leinenballen, die vor Kurzem noch in einem
Eck gestapelt gewesen waren. Glücklicherweise besaß Vico keinen Buchhalter, den
er hätte mitbringen können, sein Unternehmen war dafür zu klein. Bislang hatte diese
Arbeit sein Vater erledigt, doch der wollte sich nun ganz zurückziehen, wie es hieß.
Vermutlich hatte er sich einen Anteil ausbezahlen lassen, um davon zu leben. Ein
verheißungsvoller Neustart für Vico Kunzelmann. Es schien ihr so deutlich, dass
der Kerl die Gelegenheit ergriff, nicht nur eine hübsche Frau für sich zu gewinnen,
sondern auch das, was hinter ihr stand. Sie fragte sich, warum der Vater das alles
so hinnahm. Hatte er keine Angst? Zumindest vertraute er einem Fremden mehr als
ihr, und das tat weh.
    Sie schlug
die Bücher auf und übertrug die letzten Rechnungen, die sie von Cornelius bekommen
hatte. Was sie erwirtschaftet hatten, konnte sich sehen lassen. Es waren keine Unsummen,
jedoch auch kein Abbruch zu erkennen. Sie und Cornelius hatten sie gut gemeistert,
diese Krise. Das sollte ihnen Vico erst einmal nachmachen.
    »Ich gebe
nicht auf!« Mit einem Ruck schlug sie eines der Bücher zu.
    Sie dachte
wieder an Martha und fragte sich, ob sie nicht recht hatte mit dem, was sie sagte.
Was hatte sie schon für Erfahrung außerhalb dieser vier Wände? Wenn sie hingegen
Pascal ansah, den Weitgereisten, den Welterfahrenen. Von der Fensterbank nahm sie
ein Veilchen und steckte es sich ans Kleid. Draußen hörte sie das Quietschen eines
vorbeifahrenden Fuhrwerks und die Rufe des Mannes, der die Pferde antrieb.
    »Reisen
müsste ich können«, sagte sie und klopfte mit einem Finger auf das Holzpult. »Erfahrungen
sammeln in Augsburg, Nürnberg und … ja, auch in Köln. Ich muss mehr von der Welt
erleben. War es nicht das, was Martha meinte?« Ihr Blick fiel auf die Schatulle,
in der sie das Haushaltsgeld verwahrte.
    »Geh voran,
wage etwas«, hörte sie Martha sagen und verdrehte die Augen.
    »Ja, ja.
Sag mir bitte auch wie. Ich kann hier nicht weg!«
    Andererseits,
ein eigenes Geschäft zu tätigen, ganz allein, ganz unabhängig, das würde Geld bringen
und die anderen aufhorchen lassen. Und wenn der Vater nichts von Gewürzen hören
wollte, was hinderte sie daran, es ohne ihn zu versuchen? Sie war überzeugt davon,
dass es gelingen konnte. Gewürze ließen sich wegen ihrer geringen Größe leicht von
Italien hertransportieren und noch leichter zu einem satten Gewinn verkaufen. Sie
brauchte nur die nötigen Münzen und die nötigen Verbindungen. Die Zeit drängte und
um ihr kaufmännisches Geschick zu beweisen, musste sie etwas wagen.
    Ihre Finger
wanderten zur Schatulle, sie öffnete sie und schob mit der Fingerspitze das Geld
hin und her. Warum nicht? Es steht mir ein Anteil zu für das, was ich in den letzten
Tagen geleistet habe, für das, was ich überhaupt hier leiste.
    Sie nahm
sich einen Schilling und ließ ihn in die Rocktasche gleiten. Im Buch vermerkte sie
den Kauf von Lebensmitteln als Gegenwert. Das würde sie fortan täglich tun, um sich
eine genügend große Summe für ein eigenes Geschäft anzusparen.
    Und wisst
ihr was, ich hätte das schon längst tun sollen.
     
    Es kam der Tag von Sieglindes Hochzeit,
und Jolanthe war froh,

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