Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
beobachtete, wie Pascal den Saal betrat
und musste unwillkürlich lächeln bei seinem Anblick. Doch er bemerkte sie nicht,
blieb kurz stehen und strebte dann auf das Brautpaar zu. Sieglinde nutzte die Gelegenheit,
sich von Vico zu lösen, und zog Pascal beiseite.
Wie vertraulich
sie miteinander sprachen. Wie eng sie beieinander standen. Als Pascal Sieglinde
eine Hand auf die Schulter legte, wandte Jolanthe sich ab und schob ihren Teller
von sich, auf dem das Fleisch immer noch unberührt lag. Die Hilfsbedürftigen Ulms
würden sich freuen über die Reste des Mahls, die traditionell an sie verteilt wurden.
Sie erhob sich, wollte raus an die frische Luft und spürte, wie sie jemand zurückhielt,
bevor sie den Saal verlassen konnte.
»Warum hast
du es so eilig?« Pascal blickte sie an, eine Braue hochgezogen. Unwillkürlich musste
sie daran denken, wie sie ihn bei ihrem letzten Zusammentreffen einen Feigling geschimpft
hatte. Ob er ihr das übel nahm?
Sie schob
diesen Gedanken beiseite und beschloss, ganz nüchtern mit ihm zu reden. Schließlich
war er eine wertvolle Verbindung für sie zur Welt der Kaufleute, und das war es,
was sie für ihr Vorhaben brauchte, sobald sie das nötige Geld beisammen hatte. Was
sich allerdings als schwieriger herausgestellt hatte als gedacht. Viel zu langsam
sammelten sich die Münzen in ihrer geheimen Schatulle.
»Es ist
stickig hier drinnen.«
»Dann lasst
uns ein wenig Luft holen.« Er bedeutete ihr vorauszugehen. Vor dem Gebäude blieben
sie stehen. Jolanthe rieb die Hände aneinander, um sich aufzuwärmen. Sie hatte ihren
Umgang nicht mitgenommen. Sie tat ein paar Schritte zurück in den Eingangsbereich
des Hauses, um nicht allzu sehr im Wind zu stehen.
»Euer Vater
hält sich bemerkenswert.«
»Es geht
ihm gut. Gefällt Euch das Fest?«
»Ich bin
nur gekommen, um Eurer Schwester zu gratulieren.«
Und um zu
bedauern, dass Ihr sie nicht bekommen habt?, ergänzte Jolanthe in Gedanken, um sich
gleich darauf zur Ordnung zu rufen. Pascal war nützlich. Sie musste sich so gut
es ging bei seinem Wissen bedienen. Mit Gewürzen und dem Fernhandel kannte sie sich
nicht aus, er schon. Also war es an der Zeit, jegliches kindische Gehabe abzulegen.
»Ich wollte
mich noch entschuldigen für meine unpassenden Worte letzt.«
Pascal sah
sie verwundert von der Seite an und sagte nur: »Schon vergessen.«
Es half
nichts, sie war nicht in der Stimmung für eine Plauderei. Er schien ebenfalls mit
den Gedanken woanders, sah zum Platz vor dem Gebäude und schwieg.
»Ihr seid
sicher nicht gut auf meinen Vater zu sprechen«, sagte Jolanthe schließlich.
»Was?« Sein
forschender Blick berührte sie unangenehm. »Wie kommt Ihr darauf?«
»Nur so,
ich meine …«, sollte sie ihn nach Sieglinde fragen? Nein, entschied sie. Warum konnte
sie dieses Thema nicht einfach sein lassen und ihn stattdessen über Safran und Pfeffer
löchern?
»Euer Vater
ist ein sehr seriöser Kaufmann, dem auch von mir nur Respekt gebührt.« Seine Haltung
blieb so steif wie seine Worte.
Jolanthe
wunderte sich immer noch über seine plötzliche Angespanntheit. »Ich muss wieder
hoch, man wird mich vermissen.«
Er nickte
ihr zu. Als sie die Treppe hochstieg, hatte sie das Gefühl, sein Blick würde sie
von hinten durchbohren, doch als sie sich umdrehte, war Pascal bereits fort.
Kapitel 12
Vico hatte sich lediglich einen
Tag Eingewöhnungszeit gegönnt. Seither hielt er sich viel zu oft bei Jolanthe im
Kontor auf, wie um seinem Schwiegervater zu beweisen, dass er es ernst meinte, wenn
er sagte: »Macht Euch keine Sorgen, ich kümmere mich um das Geschäft.«
Mindestens
ebenso oft saß er bei Winald, der nun mehr Zeit in einem mit Kissen ausgepolsterten
Sessel verbrachte statt im Bett. Immer noch kam der Vater nur humpelnd mit einer
Krücke voran. Es bereitete ihm Schmerzen, Jolanthe sah es, wenn er sich zu ihnen
an den Tisch gesellte und sich auf den Stock gestützt durch den Raum quälte. Er
aß nur wenig, und das sah man ihm mittlerweile allzu deutlich an. Seit Katrein bei
den Verbandswechseln half, hatte Jolanthe die Wunde nicht mehr gesehen. Sieglinde
schirmte Winald erfolgreich ab.
Als sie
beobachtete, wie Katrein im Morgengrauen die verschmutzte Wäsche richtete, um sie
am Fluss zu waschen, hatte Jolanthe spontan entschieden, ihr zu helfen. Sie musste
raus aus diesen vier Wänden.
Hastig lief
sie neben der Magd die Gasse entlang, einen großen Korb mit Wäsche vor sich, dessen
hartes Weidengeflecht ihr am
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