Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ließ sie wieder locker. Vico schob sich an ihr vorbei.
»Wohin gehst
du?«, fragte sie.
»Geschäfte,
mein Kind«, antwortete er ihr, ohne sich umzudrehen. Er nahm die Stufen nach unten
und polterte in die Küche. Sie hörte ihn mit Sieglinde reden.
Geschäfte
also, dachte Jolanthe. So leicht kommst du mir nicht davon. Sie hielt sich im Dunklen
des Flurs und spähte vorsichtig in den unteren Stock. Vico verließ die Küche, nahm
sich seinen Umhang vom Haken, zupfte seine Kleidung zurecht und verließ pfeifend
das Haus.
Jolanthe
folgte ihm. Die Ärmel klebten zwar immer noch feucht an ihrer Haut vom Waschen am
Fluss, aber das ließ sich nun nicht ändern. Auf der Gasse beobachtete sie, wie Vico
kräftig ausschritt. Jolanthe zog die Kapuze ihres Umhanges hoch und folgte ihm.
Sie hielt sich dicht an den Häusern, um rasch in einer Nische verschwinden zu können,
doch er drehte sich nicht um. Er schlug den Weg zum Handelshaus ein. Zumindest soweit
schien er die Wahrheit gesagt zu haben, er wollte Geschäfte machen.
Sie folgte
ihm in die Gasse mit den zahlreichen Gasthäuern und sah, wie er die Treppen einer
Gaststube erklomm und im Haus verschwand. Und nun? Sie näherte sich dem Gebäude,
zögerte. Aus den Fenstern, die gegen die Winterkälte mit Tierhäuten überspannt waren,
hörte sie Stimmen. Der Gasthof schien jetzt um die Mittagszeit gut gefüllt. Sie
zog die Kapuze weiter ins Gesicht und öffnete die Tür. Dann blieb sie am Eingang
stehen und schaute sich um. Eine Magd schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch,
in beiden Händen Schalen mit Braten und einen halben Laib Brot unter den Arm geklemmt.
Es roch nach Eintopf und Bohnen. Die Wärme eines offenen Feuers ließ die Luft stickig
wirken. Vico hatte sich zu einer Gruppe gut gekleideter Männer an einem der Fenster
gesetzt. Noch hatte er sie nicht bemerkt, zu vertieft war er in das Gespräch, aber
es blieb eine Sache von Augenblicken, bis er hochschauen konnte und sie im Eingang
stehen sah. Also zog sie sich wieder zurück, empfand die kühle Luft draußen als
angenehm.
Nur, viel
erfahren hatte sie nicht. Vico traf sich mit Kaufleuten, nun gut, schließlich war
das seine Aufgabe. Wenn sie wenigstens hören könnte, was die Männer sprachen. Sie
sah die Gasse entlang und hatte eine Idee. Langsam schritt sie das Gebäude ab und
blieb an dem Fenster stehen, an dem sie Vico vermutete. Sie hielt den Atem an und
horchte.
»… einen
profitablen Fang getan«, sagte eine unbekannte Männerstimme. Wie gut, sie konnte
die Worte verstehen. Sie lehnte sich an die Wand, das Gesicht immer noch verborgen,
und hoffte, unauffällig genug zu wirken. Drinnen ging das Gespräch weiter.
»Wenn nur
der Alte dich machen lässt. Man hört, er habe es nicht gern, wenn man sich in seinen
Handel einmischt.«
»Wir verstehen
uns.« Vicos näselnden Ton konnte sie deutlich erkennen.
»Ob das
reicht?«
»Er wird
sich zurückziehen. Die Gesundheit.«
»Dann kommen
wir doch einfach zum Geschäft«, meldete sich ein Mann, dessen Stimme Jolanthe bislang
noch nicht gehört hatte. »Wie ist das mit der Barchentlieferung? Habt Ihr die in
die Wege geleitet?«
»Natürlich.
Schon am gestrigen Tag. Ihr könnt sicher ein, dass alles zu Eurer Zufriedenheit
erledigt wird.« Vico schien zu zögern. Er räusperte sich, dann fuhr er fort: »Es
ist nur … wir sollten noch einmal über den Preis reden.«
Der andere
Mann lachte. »Was passt Euch daran nicht?«
»Ihr müsstet
etwas mehr zahlen. Die Beschaffungskosten sind doch höher, als ich dachte.«
Jolanthe
erinnerte sich an einen Streit am gestrigen Nachmittag, als sie Vico vorgerechnet
hatte, wie viel sie für eine Barchentbestellung bezahlen mussten und wie viel er
deshalb beim Käufer dafür mindestens verlangen musste. Er hatte den Transport und
dessen Kosten übersehen. Bislang hatte er nur mit Ulmer Webern zusammengearbeitet,
nie mit auswärtigen, deswegen der Fehler, den er nicht eingesehen hatte. Im Gegenteil,
er hatte recht hochmütig reagiert und Jolanthe damit in Rage gebracht. Sieh an,
dachte sie nun. Hat mein Einwurf also doch geholfen.
»Der Preis
bleibt, wie er ist.« Der fremde Mann lachte erneut, so als amüsiere ihn Vico. »Oder
glaubt Ihr, ich lasse mich übers Ohr hauen? Es gibt genügend Kaufleute in Ulm, die
mir Barchent besorgen können, ich brauche Euch nicht.«
»Natürlich.«
Vico sprach so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte. Er würde doch jetzt nicht
so einfach nachgeben? Auf Kunden, an denen sie
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