Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
erstanden habe?
Die muss nach Venedig, und dort wartet eine Fuhre Seide auf mich.«
»Ist das
allein nicht zu gefährlich?«
»Wer sagt,
dass man allein reisen muss?«
Jolanthe
schüttelte den Kopf, und doch war es bereits ein halbes Nicken, sie wusste das,
es hatte keinen Sinn, es zu leugnen. Der Vorschlag hörte sich zu aufregend an, nach
der großen Möglichkeit, es allen zu beweisen.
»Du weißt
darüber mehr als ich.«
»Und wenn
du zusagst, werde ich dich in mein Wissen einweihen. Wusstest du, dass angehende
Fernkaufleute gern ein Jahr in Venedig im deutschen Haus verbringen, um ihre Lehrzeit
abzurunden?« Er nickte ihr zum Abschied zu und ergänzte: »Ich höre morgen von dir.«
Damit drehte er sich um und ließ sie stehen.
Venedig.
Keiner aus ihrer Familie war je dort gewesen. Wie sie es bewerkstelligen sollte,
diese Reise anzutreten, wusste sie nicht, aber sie würde mit Martha reden. Es wurde
Zeit, die Freundin wieder zu besuchen.
Sieglinde zog den Faden durch den
Stoff und vollendete die Rose auf ihrer Stickarbeit. Sie strich mit dem Finger über
die durch die Stickerei entstandenen Unebenheiten im Stoff. Ihr gefiel, was sie
fühlte. Das Muster war ihr sehr regelmäßig gelungen, kein Stich daneben. Sie sah
hoch, blickte durch die Butzenscheiben der Stube auf die Fassade des gegenüberliegenden
Hauses und dachte an Jolanthes Auseinandersetzung mit dem Vater am vorigen Abend.
Ohne dass die beiden im Zimmer es bemerkten, hatte Sieglinde die Tür vom Flur aus
einen Spalt breit geöffnet und so dem Gespräch lauschen können. Winald hatte Jolanthe
rundweg verboten, ein paar Wochen zu Martha in den Wald zu gehen. Angeblich war
diese krank, behauptete die Schwester. Sieglinde wunderte sich darüber, dass der
Vater die Scheinheiligkeit dieser Ausrede nicht durchschaute. Jolanthe heckte etwas
aus, das war Sieglinde sofort klar geworden. Sie hatte Cornelius Bescheid gegeben,
damit er Jolanthe nicht aus den Augen ließ. Und in der Tat, am Morgen war die Schwester
verschwunden.
Winald hatte
getobt. Sieglinde hatte ihn beruhigt, ihm erklärt, es gebe Spannungen und dass es
für Jolanthe besser sei, eine Weile fort zu sein. Vielleicht käme sie dann zu Ruhe
und Einsicht.
»Sie wird
bald ganz fortgehen und zwar mit einem Ehemann«, hatte Winald schließlich geantwortet.
Sieglinde hatte nur genickt. Nun lächelte sie und nahm ihre Stickarbeit wieder auf.
Sie würde Mittel und Wege finden zu verhindern, dass ein weiterer Kaufmann ins Haus
kam. Einstweilen war es gut, dass die Schwester fort war.
Eine Weile
stickte sie weiter, dann wurde die Unruhe in ihr zu groß. Sie erhob sich. Cornelius
musste jeden Augenblick zurückkommen, und sie brannte darauf zu erfahren, ob er
etwas herausgefunden hatte. Sie ging zum Fenster, öffnete es und sah hinunter auf
die Gasse. Ein Mädchen hastete dort entlang, neben sich einen jungen Burschen, der
gestikulierend auf sie einredete. Vielleicht war es besser, unten auf Cornelius
zu warten, ihn abzupassen, damit niemand hörte, was sie zu besprechen hatten.
Sie verließ
die Stube. Im unteren Stock öffnete sie die Haustür und spähte hinaus. Nur ein verlauster
Köter ließ sich blicken, das Paar war verschwunden. Sie nahm einen Lappen und einen
Eimer mit Wasser und begann, die Scheiben von außen zu putzen, obwohl sie das gemeinsam
mit der Schwester erst vor wenigen Tagen getan hatte. Sie verlor bald die Lust an
dieser unnötigen Tätigkeit und zupfte stattdessen welke Blätter von den Pflanzen,
die in Kästen auf den Fenstersimsen wuchsen. Endlich konnte sie aus den Augenwinkeln
Cornelius’ Gestalt herbeieilen sehen. Sie ließ alles stehen und winkte ihn hinein,
dann auf direktem Weg in die Küche.
»Was habt
Ihr zu berichten?«
»Sie haben
sich alle bei der Burg versammelt, auch dieser Kaufmann.«
»Pascal.«
Cornelius
nickte und zog sich einen Schemel heran, um sich zu setzen. »Könnte ich einen Schluck
Wasser bekommen? Der Ritt war anstrengend«, fragte er mit einem Blick, der um Verzeihung
ob seiner Unhöflichkeit bat. Sieglinde füllte einen Becher mit frischem Wasser,
gab ihn ihrem Gast und forderte ihn mit einem Nicken auf fortzufahren.
»Es sieht
so aus, als planten sie eine Reise. Ein Schmied kam, um die Hufe der Pferde nachzusehen,
und sie haben Satteltaschen ausprobiert. Offenbar ganz neu gefertigt. Dieser Pascal
hat sie mitgebracht.«
»Eine Reise?
Wie interessant.« In der Tat freute sie sich nicht wenig über diese Information.
Je mehr Fehler Jolanthe
Weitere Kostenlose Bücher