Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Bäumen bewachsen,
dünnte der Bewuchs nach oben aus und ließ schroffen Felsen übrig.
»Wie geht
es deinem Hintern?«, gab Martha zurück.
»Gut, ich
sagte das bereits«, antwortete Jolanthe. Sie hatte bei ihrer Ankunft über Schmerzen
geklagt. Die Freundin hatte eine Salbe aus ihrem Gepäck gezaubert, so als habe sie
damit gerechnet. Jolanthe hätte gern gewusst, was Martha noch alles für Schätze
verbarg, doch die antwortete nicht auf diesbezügliche Fragen.
»Ich möchte
dir nur zeigen, dass ich schon jetzt meine Nützlichkeit unter Beweis stelle. Und
wir sind noch gar nicht richtig losgezogen.«
»Sag, und
du bist wirklich mit uns gekommen, weil du Venedig kennenlernen möchtest?«, fragte
Jolanthe, während sie sich an einem Brunnen mit eiskaltem Wasser erfrischten.
»Nicht,
um es kennenzulernen, sondern, um es wiederzusehen.«
»Du bist
früher schon dort gewesen?«, bohrte Jolanthe nach.
»Das ist
mein zweiter Grund, euch zu begleiten. Ich will mit euch meine Erfahrung teilen.
Ach, übrigens, wie geht’s deinem Hintern?«
Jolanthe
musste lachen, weil Martha sie so aufzog. »Schau, diese kleine Kirche. Was für wunderbar
bunte Fenster sie hat.«
»Ja, der
Ort scheint mir reich zu sein, kein Wunder, so viele Kaufleute wie hier herumlaufen.
Und alle lassen sie ein paar Münzen da.«
Genau das
taten sie ebenfalls am Abend. Die ganze Gruppe, die gemeinsam reiten würde, versammelte
sich in der Gaststube an einem langen Tisch und ließ Speisen und Wein auffahren.
»He, Wirt,
nächstes Mal bestellt Euren Wein bei uns, wir handeln vorzüglichen französischen,
der dieses Gesöff hier weit in den Schatten stellt«, rief einer der Männer, den
Jolanthe als viel zu jung einschätzte, um mit Verantwortung für Ware auf eine solche
Reise zu gehen.
»Wird vom
Vater nach Venedig geschickt, um dort im deutschen Haus seine Ausbildung zu vollenden«,
raunte Pascal ihr zu, so als habe er ihre Gedanken gelesen. Sie hatte ihn den ganzen
Tag nicht gesehen. Nun saß er dicht neben ihr. Das tat gut.
»Holde Maid,
was hat Euch zu uns verschlagen?«, fragte ihr Gegenüber. Seine schiefe Nase schien
einmal gebrochen gewesen zu sein, und auch die kleine Narbe am Kinn zeugte von einem
unruhigen Leben.
»Mein Cousin«,
sie deutete auf Pascal, »nimmt mich mit, damit ich meine Schwester besuchen kann.«
»Auf eine
solch gefährliche Reise?« Er lehnte sich vor. »Ihr wisst auch wirklich, was Euch
bevorsteht?«
»Natürlich.«
Natürlich nicht, aber das musste sie dem Kerl ja nicht aufbinden.
»Wir werden
durch enge Schluchten wandern, bei denen man besser vom Pferd steigt, um es zu führen.
Manch einer hat schon die Kontrolle verloren über sein Tier und ist abgestürzt.
Wenn uns ein Gewitter überrascht, so betet, dass wir rasch Unterschlupf finden.
In den Bergen ist die Natur gefährlich. Und wenn wir keinem betrügerischen Hospizbetreiber
in die Hände fallen, was Gott verhindern möge, dann sind da noch die Wegelagerer,
die immer ihre Möglichkeit suchen. Vor allem bei einem solch reich bestückten Handelszug
wie dem Unsrigen.«
»Wir haben
bewaffnete Begleitung«, warf sie ein.
»Auch dafür
betet, dass die ausreicht. In den gefährlichen Gegenden bekommen wir Einheimische
als Begleitschutz hinzu, die uns zugleich durch das unwegsame Gelände führen. Natürlich
lassen die sich das gut bezahlen.« Er rieb den Zeigefinder gegen den Daumen. »Habt
Ihr ein Amulett?«
Er zog ein
Schmuckstück aus seiner Tasche und reichte es ihr. Es war ein kleines Kreuz mit
roten Steinen verziert an einer langen Kette.
»Wovor schützt
Euch das?« Sie wollte es ihm zurückgeben, doch er winkte ab.
»Vor jeglichen
Gefahren und, glaubt mir, davon kann es auf einer solchen Reise viele geben. Ihr
solltet es behalten. Euer Cousin wird mir einen angemessenen Preis dafür zahlen.
Ihm ist es sicher wichtig, seine Verwandtschaft gut über die Berge zu bringen.«
Sein Lächeln
entblößte eine Reihe halbwegs passabler Zähne. Ein Schmuckhändler, dachte Jolanthe.
Will mich für dumm verkaufen.
»Ich habe
bereits ein Amulett.« Sie schob ihm das Kreuz über den Tisch zu. »Seht, dieser Armreif,
er wurde vom Bischof geweiht und ist mit seither dienlich.« Was nicht stimmte, aber
gut klang.
Er musterte
das Schmuckstück an ihrem Arm, den sie ihm hinhielt. Pascal hatte darauf bestanden,
dass sie den Reif weiter trug. Der Mann nickte anerkennend. »Dennoch. Dieses Kreuz
zusätzlich – und Ihr werdet Euer Ziel ganz sicher gesund und munter
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