Die Todesbraut
Strand und die tosende Brandung, als Mary Keogh sagte: »Ich muß gestehen, ich bin neugierig, Mr. Dillon. Mein Mann zog Erkundigungen über Sie ein und erzählte mir von Ihnen. Aber da gibt es so manches, was ich nicht verstehe. Sie besuchten doch die Royal Academy of Dramatic Arts in London und spielten am Nationaltheater?«
»Das stimmt«, nickte Dillon.
»Und dann schlossen Sie sich der IRA an? Warum?«
»Ich war damals neunzehn Jahre alt, Mrs. Keogh, und lebte mit meinem Vater in London. Es war 1971, mein Vater fuhr über einen Feiertag nach Belfast und wurde in einem Kreuzfeuer zwischen britischen Fallschirmjägern und der IRA getötet. Es war ein Unfall.«
»Aber das konnten Sie damals nicht akzeptieren?« In ihren Augen schimmerte plötzlich echte Anteilnahme.
»Nein, nicht mit neunzehn Jahren.« Dillon zündete sich eine Zigarette an. »Also schloß ich mich dem edlen Unternehmen an.«
»Und er sah nie zurück«, ergänzte Ferguson. »Jahrelang stand er ganz oben auf den Fahndungslisten.«
»Stimmt es eigentlich, daß Sie im Februar 1991 versucht haben, das britische Kriegskabinett in die Luft zu sprengen?« fragte Keogh.
»Also wirklich, sehe ich aus wie ein Kerl, der so etwas tun würde?« fragte Dillon mit gespielter Entrüstung.
Keogh brüllte vor Lachen. »Das ist es ja, mein lieber irischer Freund, Sie sehen in der Tat genau so aus.«
Mrs. Keogh fuhr fort: »Sie sind mir immer noch ein Rätsel. Wie kam es denn, daß Sie dann plötzlich die Seiten wechselten?«
»Ich kämpfte damals für Dinge, an die ich glauben konnte. Dafür schäme ich mich auch heute nicht, obwohl ich die Bom be niemals als geeignete Waffe betrachtet habe. Das war für mich die größte Schwäche in der Vorgehensweise der IRA. Es sind nicht nur die Toten, sondern auch die fünfzigtausend ganz normalen Menschen, die verletzt oder verkrüppelt wurden. Frauen in Einkaufszentren, Kinder.« Er zuckte mit den Achseln. »Letztendlich rechtfertigt nichts dieses Leiden, nicht einmal ein vereintes Irland. Und irgendwann klickte es in me inem Kopf und …«
»Und schließlich erwischte ich ihn in einem serbischen Gefängnis«, fuhr Ferguson fort. »Sie hätten ihn erschossen, weil er Medikamente für Kinder eingeflogen hatte. Es gelang mir, ein Abkommen mit ihnen auszuhandeln.« Er zuckte mit den Achseln. »Tja, und seither arbeitet er für mich.«
»Das begrüße ich sehr. In meiner Situation könnte mich nichts und niemand glücklicher machen«, meinte Patrick Keogh. »Ich gebe jetzt Ihrem Fahrer Bescheid, daß er vorfährt, und werde anschließend Otis verständigen, daß Sie unterwegs sind.« Damit stand er auf und ging zur Tür. Abrupt drehte er sich noch einmal um. »Oh, übrigens, der Präsident erwartet Sie, wenn Sie zurück in Washington sind.«
Mrs. Keogh verabschiedete sich und ging zurück ins Haus.
Ferguson, Dillon und Keogh standen noch einen Moment vor der Limousine.
»Sagen Sie, Dillon«, fragte Keogh. »Halten Sie es wirklich für möglich, daß in Irland Friede einkehrt?«
»Das hängt vor allem von der Reaktion der Protestanten ab«, meinte Dillon. »Davon, wie bedroht sie sich fühlen. Es gibt einen alten Trinkspruch der Prots, Senator: Auch unser Land! Wenn sie der Meinung sind, die Gegenseite würde ihnen diese Betrachtungsweise erlauben, dann gibt es Hoffnung.«
»Auch unser Land!« Keogh nickte. »Das gefällt mir. Es klingt gut.« Sein Gesicht hatte einen feierlichen Ausdruck angenommen. »Vielleicht kann ich diesen Trinkspruch in meiner Rede in Ardmore verwenden.«
Ferguson begann mit der Verabschiedung: »Bis bald, Sir, wir sehen uns in Shannon.«
»Es kann sich wirklich nur um Tage handeln, Brigadier.«
»Sind Sie glücklich über Ihre Entscheidung, Senator?«
»Und ob, verdammt«, lachte Keogh. »Ich stehe Todesängste aus.«
»Das kennen wir alle nur zu gut«, meinte Dillon. »Das ist ein gutes Zeichen.«
»Wissen Sie, ich hielt einmal eine Rede, die aus einer Reihe von Gründen einer Anzahl von Menschen nicht ge fiel, aber ich selbst mochte sie sehr«, erzählte Keogh. »Ich sprach davon, daß ein Mann ungeachtet der persönlichen Konsequenzen und der Opfer, die seine Entscheidung mit sich bringt, gewisse Dinge tun müsse, wenn es sein Gewissen verlangt. Er allein entscheidet, welchen Kurs er einschlägt.«
Schweigend standen sie einen Moment lang vor der Limousine und überdachten die Worte.
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