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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Ordnung?«
    »Wir haben uns furchtbar zerstritten«, sagte Sadie. Das kam der Wahrheit bisher am nächsten.
    »Dafür sind Familien doch da, oder? Ihr werdet euch schon wieder vertragen.« Ruth war so bemüht und optimistisch.
    »Ich glaube nicht«, sagte Sadie.
    »Liegt es an dir? Fehlt dir deine Familie nicht?«
    Sie fehlte ihr nicht. Noch nicht. Ihr ging es mit jedem Tag ohne ihre Familie besser. Nur Maggie fehlte ihr.
    Sadie war spazieren gegangen. In der Zwischenzeit hatte Ruth den anderen erzählt, dass Sadie traurig war, weil sie sich mit ihrer Familie zerstritten hatte. Einige der Mädchen waren zu ihr gekommen, hatten sie bemitleidet und umarmt. »Wir sind da, falls du darüber reden möchtest«, hatte eine junge Frau aus Kanada gesagt.
    Und so hatte Sadie geredet. Ihnen alles erzählt. Doch nicht die wahre Geschichte. Eine andere Geschichte, deren Worte einfach aus ihr herauspurzelten. Von ihrem gewalttätigen Vater, der ihre Mutter angeblich seit Jahren schlug. Eines Tages hätte Sadie sich ihm in den Weg gestellt. Er hätte einen Stuhl nach ihr geworfen. Sie zeigte ihnen die Narbe an der Stirn. In Wahrheit stammte sie von einem Sturz von der Schaukel, Sadie war damals sechs Jahre alt gewesen.
    Die anderen Mädchen hatten sie mit offenem Mund angestarrt. So viel Aufmerksamkeit war Sadie noch nie zuteilgeworden. Bei dem Gedanken an Leo, der niemals die Hand gegen eine seiner Töchter erhoben hatte, hatte sie schon ein wenig das schlechte Gewissen gedrückt. Aber dann hatte sie wieder auf ihr Publikum geschaut, das an ihren Lippen hing.
    Über Nacht wurde sie zum Vorbild in Sachen Überlebenskunst. Sie fühlte sich schuldig. Manche Menschen erlebten das alles wirklich, was sie nur erfunden hatte. Doch nun war es zu spät, nun konnte sie nichts mehr zurücknehmen.
    Einen Monat später war sie in eine Wohngemeinschaft gezogen, und eines der Mädchen aus dem Hostel war auch dort eingezogen. Es war ein typisches Queensland-Haus auf Stelzen, damit die Luft besser zirkulieren konnte, und mit großen Veranden, auf denen genauso viele Möbel wie im Innern des Hauses standen. Sadie besaß nicht viel, aber nun hatte sie endlich ein eigenes Zimmer mit einer Schaumstoffmatratze auf dem Boden, einem Kleiderständer und einem Spiegel. Mehr brauchte sie nicht.
    Einer ihrer Mitbewohner hatte ihr von einem Job in einem großen Hotel erzählt. Eine Putzstelle. Die Arbeitszeiten wären schrecklich, sagte er. Sie müsste um sechs Uhr morgens anfangen, aber dafür hätte sie schon um elf Uhr vormittags Feierabend und den ganzen Tag noch vor sich.
    Ihr sagte das zu. Sie hatte angefangen, regelmäßig zu schwimmen, sie genoss das Gefühl, den Widerstand des Wassers zu spüren und kräftig und ausdauernd zu werden. Wenn sie morgens früh arbeitete, könnte sie danach an den Strand fahren und den ganzen Tag lang schwimmen und lesen.
    Sie ging zum Vorstellungstermin, erzählte wahrheitsgemäß von all ihren Putzstellen, machte unwahrheitsgemäße Angaben zu ihrem Namen und ihrer Herkunft. Sie war darin schon so geübt, dass ihr Gegenüber niemals gemerkt hätte, dass sie log. Am nächsten Tag erhielt sie den Anruf. Sie sollte am kommenden Montag anfangen. Sie würden zu zweit arbeiten, sie und ein junger Kerl aus Irland namens Peter O’Toole.
    »Sag Larry zu mir«, hatte er zur Begrüßung gemeint.
    Sie hatte ihn auf der Stelle gemocht. Er hatte so fröhlich gelächelt. Wenn sie in späteren Jahren Freunden davon erzählten, sagte Sadie immer, dass es keine Liebe auf den ersten Blick war. »Es war Mögen auf den ersten Blick«, erklärte sie.
    »Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick«, sagte Larry dann immer.
    Ihr erster Eindruck erwies sich als zutreffend. Er sah so fröhlich aus, weil er so fröhlich war. Seinen Spitznamen hatte er nach Lawrence von Arabien erhalten, der berühmtesten Rolle seines irischen Namensvetters Peter O’Toole. Er war nur einen Meter siebzig groß, hatte ein rundes Gesicht, Sommersprossen, einen stämmigen Körper, blaue Augen und das breiteste, heiterste Lächeln, das Sadie jemals gesehen hatte.
    Ihr war auch noch nie jemand begegnet, der so enthusiastisch war. Er fand Australien großartig, meinte, dass die Putzstelle »der Hammerjob« war: »Morgens fünf Stunden putzen und dann den ganzen Tag frei. Und das nennt sich Arbeit?«
    Sie waren ein tolles Team, das merkten sie gleich in der ersten Woche. Am Wochenende mussten sie den Nachtclubbereich des Hotels putzen, während der Woche die

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