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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Fünfjährigen die Situation zu erklären. Außerdem wusste sie nicht, was Clementine tun würde. Sie anzeigen?
    Dann war ihr die Idee gekommen, über Vater Cavalli mit Maggie Kontakt aufzunehmen. Auf dem Rückweg von einem ihrer Gelegenheitsjobs war sie an einem Priester vorbeigekommen, der mit einer jungen Frau gesprochen hatte. Das Bild hatte sich ihr eingeprägt. Drei Tage später stand sie in einer Telefonzelle. Vater Cavalli war selbst ans Telefon gegangen. Wenn nicht, hätte Sadie wohl aufgelegt. Sie hatte nicht viel erzählt. Ob er überhaupt etwas von der ganzen Sache wusste? Wahrscheinlich nicht. Die Faradays gingen nicht mehr zur Kirche. Sie hatte ihm gesagt, dass es Streit gegeben hätte, ohne näher ins Detail zu gehen. Sie wollte eine Weile allein sein, aber Maggie sollte nicht glauben, es sei ihre Schuld. Wenn sie eine Karte an Maggie schicken würde, an die Adresse des Priesters, würde er sie wohl an Maggie weiterleiten?
    Er hatte einige Plattitüden von sich gegeben, die sie nach Kräften ignoriert hatte. Das war schließlich sein Job, also hatte sie so getan, als würde sie zuhören. Er hatte sie gedrängt, in ihrem Herzen Vergebung zu finden, zu erkennen, dass alle Familien durch schwere Zeiten gingen, und betont, dass die Liebe alles überwinden konnte.
    »Was aber, wenn es keine Liebe gibt, Vater?«
    Er hatte geschwiegen.
    »Die Liebe in der Familie ist die stärkste Liebe, Sadie.«
    Danach hatte sie sich verabschiedet. Aber sie war ihm dankbar. Er hatte zugesagt, als Mittler zu agieren. Sie hatte ihm ein Postfach in der Hauptpost von Brisbane als Anschrift gegeben. Wenn sich ihre Adresse ändern würde, würde sie es ihm mitteilen.
    »Du musst beten, Sadie«, hatte er sie gedrängt.
    Sie hatte seit Jahren nicht mehr gebetet und nicht vor, es wieder zu tun. Das hatte sie ihm aber nicht gesagt.
    Am nächsten Tag hatte sie Maggie eine Geburtstagskarte geschickt, eine, die ihr gefallen würde, mit tanzenden Mäusen darauf. Zwei Wochen später war ihr täglicher Gang zur Post belohnt worden. Auf sie hatte ein Umschlag mit fremder Schrift gewartet. Wohl die von Vater Cavalli. Im Innern hatte eine Karte gelegen. Maggie dankte ihr und berichtete, dass sie in der Schule gerade in zwei Fächern eine Eins plus bekommen hätte. Ich vermiss Dich und hab Dich ganz doll lieb, Maggie xxxxxx. Im Umschlag hatte auch eine Nachricht von Leo gesteckt. Sadie las sie nicht.
    Während der folgenden Monate lebte sie das Leben einer Rucksacktouristin. Sie ging, wohin es sie verschlug. Sie reiste nach Norden zur Mango-Ernte und schlief in Hostels, die neben Menschen auch große Spinnen, Schlangen und Fruchtfledermäuse beherbergten. Eines Nachts wurde sie wach, als eine Spinne über ihr Kopfkissen krabbelte. Noch am gleichen Abend war sie wieder in Brisbane, in ihrem alten Hostel. Am Tag darauf fand sie Arbeit in einem Pub im Stadtzentrum. So leicht ging das.
    Warum hatte sie das nicht längst getan? Sie hatte nicht gewusst, dass man so leben, so frei sein konnte. Sie genoss das unglaubliche Gefühl, als sie selbst zu gelten, nicht als eines der Faraday-Mädchen, als Mirandas weniger glamouröse Schwester, Clementines weniger kluge, Juliets weniger fleißige oder Elizas weniger sportliche Schwester. Sie war einfach sie selbst.
    Sie erfand ständig neue Kapitel zu ihrem Leben, je nachdem, was sie gefragt wurde. Sie erzählte, dass sie aus Adelaide stammte. Dass ihre Eltern Lehrer waren. Dass sie darauf bestanden, dass sie auch Lehrerin wurde, sie aber erst ein wenig von der Welt sehen wollte. Ihre Zimmergenossinnen zeigten Mitleid und Mitgefühl. Alle nahmen sie so, wie sie war.
    Zu ihrer Überraschung veranstaltete das Hostel auch eine Juli-Weihnachtsfeier. Sadie hatte immer geglaubt, das wäre allein eine Faraday’sche Familientradition. Die Rucksacktouristen aus England, Irland und anderen Teilen Europas stürzten sich mit Eifer ins Festgetümmel. Sadie ging stattdessen ins Kino. Sie sah sich nacheinander drei Filme an und kam erst zurück, als das Fest schon lange vorbei war.
    Die gleiche Begeisterung kam im Dezember auf – alle redeten darüber, wie lustig es war, Weihnachten zu feiern, wenn es heiß war, alle standen Schlange, um ihre Angehörigen auf der anderen Seite der Welt anzurufen. Ruth, ein Mädchen aus Schottland, war aufgefallen, dass Sadie niemanden anrief.
    »Kannst du es dir nicht leisten?«, flüsterte sie. »Ich geb dir gerne Geld, wenn du willst.«
    »Nein, aber danke.«
    »Ist alles in

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